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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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drei lebende Täubchen. Und wagt es nicht, um den Preis zu feilschen.»
    Die Händlerin suchte drei gesunde Tiere aus, band sie an den Beinen aneinander und übergab sie Arvaelo. Als Blettner ihr ein Geldstück hinreichte, winkte sie müde ab, doch das ließ der Richter nicht zu. «Ihr müsst mir nichts umsonst geben, gute Frau. Ich bin nicht bestechlich. Nehmt das Geld oder gebt es den Armen. Den Marktaufseher schicke ich Euch trotzdem.»
    Er legte das Geld auf die mit Blut beschmierte Auslage, dann ging er hinter Arvaelo über den Römerberg zur Fahrgasse.
    Unterwegs überlegte er, wie Hella die Täubchen aufnehmen würde. Sie schätzte es nicht, wenn man ihr in den Speiseplan hineinfuhrwerkte. Das durfte nur Gustelies ungestraft. Am besten wäre es, dachte der Richter, wenn sie gar nicht mitbekäme, dass wir da sind. Wir werden zur Sicherheit gleich durch die Küche in den Garten gehen und Minna Stillschweigen heißen.
     
    «Wer ist nur auf den hirnrissigen Einfall gekommen, den armen Jungen in einer Besenkammer einzusperren?» Pater Nau hätte sich gern die Haare gerauft, doch rings um die Tonsur war alles raspelkurz geschoren.
    «Ja, nun. Ihr habt gut reden. Wir haben es hier nicht alle Tage mit einem Kannibalen zu tun. Wo sollen wir denn hin mit so einem?» Der Pfleger schaute Pater Nau ratlos an.
    Der Pater hätte gern etwas erwidert, doch soeben brüllte der Junge wieder wie angestochen. Sein Geheul war so schrill, dass sich der Pater und der Pfleger die Ohren zuhielten. «Wo ist denn die Mutter?», fragte Pater Nau. «Kann sie den Jungen nicht beruhigen?»
    Der Pfleger schüttelte den Kopf. «Sie war so außer sich, dass wir sie ruhigstellen mussten.»
    «Was heißt das genau?»
    «Der Apotheker hat ihr einen starken Trank von Hopfen, Baldrian und Johanniskraut gegeben. Sie schläft.»
    «Aha.» Der Pater kratzte sich am Kinn und sah auf die verrammelte Tür, hinter der der Junge sich die Lunge aus dem Hals brüllte.
    «Ruhig, ganz ruhig. Psch, psch, psch», schrie er dagegen an, aber erfolglos. «So etwas ist Sache der Weiber», entschied er schließlich. «Ich kann erst etwas tun, wenn der Junge ruhig geworden ist.» Er drehte sich zu dem Pflegerum. «Geh ins Pfarrhaus und hole meine Haushälterin her. Sie kennt sich mit schwierigen Fällen aus. Erzähl ihr, dass der Junge brüllt wie am Spieß. Und dass er verrückt ist. Ich wette, sie weiß einen Rat.»
    Im selben Augenblick warf sich der Junge von drinnen gegen die Tür, dass das Holz splitterte. Gleichzeitig drang aus dem Hauptgang des Spitals Lärm. Pater Nau drehte verwirrt den Kopf hin und her.
    «Was ist jetzt?»
    «Ja, nun. Ich wollt’s Euch schon die ganze Zeit sagen. Da draußen haben sich welche versammelt, die den Jungen wollen.»
    «Wie wollen? Was wollen sie mit ihm?»
    «Erschlagen. Immerhin ist er der Kannibale.»
    «Wollt Ihr damit sagen, dass die Meute hinter dem Jungen her ist?»
    «Ja, nun.»
    Wieder drehte sich Pater Nau um die eigene Achse. «Wohin führt dieser Gang?»
    «Direkt in die Hauskapelle, Pater.»
    «Schnell, helft mir. Ich mache jetzt den Verschlag auf. Wenn der Junge sich wie wild gebärdet, müsst Ihr mir mit ihm helfen. Ansonsten haltet die Meute zurück.»
    Pater Nau trat gegen den Spaten, riss die Tür auf. Der Junge verkroch sich in einer Ecke, hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen und wimmerte nur noch.
    «Komm her, Josef. Mach schon. Wir beide gehen in die Kapelle und beten zur Muttergottes.»
    Beim Wort «Muttergottes» sah der Junge auf.
    «Ja, zur Jungfrau Maria gehen wir», wiederholte Nau.
    «Maria, Maria», stammelte der Junge und lachte plötzlich. Pater Nau griff nach seiner Hand und hastete mit ihmden Gang entlang. Sie hatten gerade die Tür zur Kapelle erreicht, als die Menschenmenge in den Gang strömte.
     
    Hella stand am Fenster und hielt nach dem Scherenschleifer Ausschau, als sie Heinz und Arvaelo um die Ecke biegen sah. Auf der Stelle schrak sie zurück und warf das Fenster zu.
    Dann stand sie mit klopfendem Herzen im Wohnzimmer. Arvaelo! Arvaelo Garm aus der Stadt Samarra an Euphrat und Tigris. Vom ersten Augenblick an war sie von ihm hingerissen gewesen. Er war alles das, was Heinz nicht war. Er hatte alles an sich, was sie sich wünschte. Er war schön. Er war geheimnisvoll. Er war   … war   … ja   … er war   … irgendwie anders war er. Er war der Mann, von dem sie immer geträumt hatte, ohne ihn zu kennen! Hella presste eine Hand auf ihr wild schlagendes Herz. Gleich musste

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