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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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der Messe.
    Auf der Bank neben sich hatte die Silberschmiedin eine Lederrolle gelegt. So etwas kannte Hella, darin steckten wohl die Schmuckstücke und Edelsteine. Es mussten Dinge von einigem Wert sein, denn die Rolle war nicht nur fest zugeschnürt, sondern auch mit einem Lederband versehen, das sich die Leipzigerin an das Handgelenk gebunden hatte. Die Angst der Händler vor Dieben und Beutelschneidern war sicher sehr groß.
    «Seid Ihr zufrieden mit den Geschäften hier?», fragte Hella.
    «Ach, hörd uff. Hier gammer doch geene Geschäfde machen. Vergabberd bis zum letzten Loche.» Sie schüttelte den Kopf, winkte ab und griff dabei gleichzeitig nach ihrer Schmuckrolle.
    Hella wusste nicht, was «vergabberd» bedeutete, und die Frau schaute so missmutig drein, dass sie nicht zu fragen wagte. Stattdessen sah sie zu, wie die Leipzigerin sich reichlich Butter und Honig in die Grütze rührte. Dann reichte sie Hella die beiden Gefäße. «Nehmd nur kräftisch. Ihr guggd nüsch grade, als ob das Glügg Euch derzeit lachd. Abbr ä gutes Essen macht so mansches widder gut.»
    Jetzt lächelte sie. Hella freute sich über die unerwartete Herzlichkeit der Frau. «Es tut mir leid, dass Eure Geschäfte so schlecht laufen», sagte sie und erwiderte das Lächeln.
    «Dafür gönnd Ihr doch nüschd», erwiderte die Frau und strich über ihre Schmuckrolle. «Mir ham in Leibzsch ja so viel Silber», erklärte sie. «Un isch dachde, das gann ich hier guud fergoofen. Aber Busdeguchen. Silber grischd ihr ooch woanders her. Das habsch nisch gewussd.»
    Hella hätte die Frau gern gebeten, sich ihre Schmuckstücke ansehen zu dürfen. Im selben Augenblick kam der Wirt die Treppen herunter, und die Silberschmiedin wandte ihm ihre Aufmerksamkeit zu. Er zog noch auf der Stiege das Hemd gerade und stopfte es nachlässig in die Hose. Sein Kinn war mit dunklen Stoppeln übersät, das Haar stand nach allen Seiten ab. Die Augen waren tief verschattet und rotgerändert.
    «Mrgn», brummte er.
    «Was had der gesachd?», fragte die Leipzigerin.
    «Ich glaube», erwiderte Hella, «das sollte ‹Guten Morgen› heißen.»
    Sie drehte sich um. «Habt Ihr Euren Schlüssel gefunden?»
    Der Mann schüttelte den Kopf und hieb mit der Faust wütend auf die Tischplatte, dass der Honigtopf in die Höhe sprang. Kurz darauf kam Isolde an den Tisch. «Nehmt dem Meinen sein Benehmen nicht allzu übel. Er nennt einen der besten Weinkeller Frankfurts sein Eigen. Aber niemand außer ihm darf ihn jemals betreten. Selbst ich war noch nicht dort unten. Und jetzt ist der Schlüssel verschwunden. Glaubt mir, eine Mutter kann um ihr verlorenes Kind nicht schlimmer trauern.»
    «Ja, aber es ist doch nur ein Schlüssel», wunderte sich Hella.
    «Nein», widersprach Isolde. «Es ist wohl sehr viel mehr als das.»
    Im selben Augenblick wurde die Tür aufgestoßen, und ein Schlachter kam herein, der einen halben Hammel über der Schulter trug.
    «Wo ist der Schankwirt?», keuchte er, doch inzwischen war Isoldes Mann verschwunden.
    «Gebt mir das Viech. Und kommt das nächste Mal zum Dienstboteneingang», forderte die Wirtin, warf ihre Lederschürze so über die Schulter, dass der Hammel ihr Kleid nicht beschmutzen konnte, und trug das Fleisch fort.
    «Und wer unterschreibt mir hier?», rief ihr der Schlachter nach.
    «Der Gehilfe wird es machen», rief die Wirtin zurück. «Mit dem Schlachthaus ist mein Mann ebenso eigen wie mit dem Weinkeller.» Die Worte waren an Hella gerichtet, und diese nickte höflich.
    Der Schlachter brummte und legte dem Gehilfen eine Art kleines Kontorbuch unter die Nase, welches er aus seinem Kittel gezogen hatte. Er tippte mit dem Finger auf eine Stelle und befahl: «Da, unterschreib! Aber sieh zu, dass du keinen Klecks machst.»
    Hella reckte sich. Sie sah, wie der Gehilfe einen Gänsekiel zur Hand nahm, ihn in ein Tintenfass steckte und langsam, die Zungenspitze zwischen den Zähnen, drei Kreuze malte.

KAPITEL 8
    «Büttel, steh nicht rum und glotz wie ein Eichhörnchen. Gib mir lieber das Handtuch, aber hastig.»
    Der Büttel tat, wie ihm geheißen.
    Der Richter steckte seinen Kopf in einen Eimer mit kaltem Wasser, prustete und schwappte die halbe Küche dabei voll, dann kam er nach oben, schüttelte sich wie ein Hund und nahm dem Büttel das Leinentuch ab. Als er das Haar getrocknet und gekämmt hatte, spülte Heinz den Mund mit Salzwasser. «So», sagte er, «ich bin so weit, wir können gehen.»
    Der Büttel glotzte noch immer.
    «Was ist?

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