Höllenknecht
wird es schon nicht werden. Kurz vor der Messe haben die Stadtknechte überprüft, ob alle Feuergerätschaften in Ordnung sind und Wasser überall leicht zu erreichen ist. Lass uns nach Hause gehen, Liebes.»
«Ja», erwiderte Hella, schmiegte sich an Heinz, rieb ihre Wange am rauen Stoff seines Wamses und warf einen Blick zum Himmel hinauf.
Der hatte sich hinter dem Bartholomäus-Dom rot gefärbt.
KAPITEL 12
«Jetzt will ich dir mal was sagen, mein Lieber.» Pater Nau wischte sich die Pfannkuchenkrümel vom Mund und legte die Serviette ordentlich neben den Teller.
«Na, da bin ich aber gespannt. Sind deine Enthüllungen so ungeheuerlich, dass ich sie ohne Wein ertrage?» Bruder Göck schaute zweifelnd drein.
Gustelies seufzte. «Heilige Hildegard, wenn ihr streiten oder Dispute führen wollt, geht ins Arbeitszimmer. Ich bringe euch den Wein.»
Wenig später saßen sich die beiden Geistlichen gegenüber. «Wo waren wir?»
«Was geschieht, wenn der Teufel alle seine Sünden bereut?»
«Richtig», nickte Pater Nau. «Ich will dir heute nachweisen, dass es den Teufel nicht gibt, nicht geben kann.»
«Hmm», brummte Bruder Göck. «Ich weiß gar nicht, ob ich das möchte. Was soll ich ohne Teufel? In meiner Welt gab es ihn immer. Es wird ein Loch sein, wo er war.»
Pater Nau nickte und strich sich sorgenvoll über das Kinn. «Genau das ist auch mein Problem. Ich kann mir eine Welt ohne Teufel auch nicht vorstellen. Die Erde ist nun mal ein Jammertal und das Leben ein Graus. Der Teufel hat darin seinen festen Platz. Aber trotzdem. Hör dir meine Argumentation wenigstens an.»
Bruder Göck seufzte. «Also.» Er trank einen ordentlichen Schluck Wein.
Pater Nau räusperte sich, als stünde er auf der Kanzel, dann hob er an: «‹Wem nützt es?› Diese Frage hat Sokrates an den Anfang aller Überlegungen gestellt. Wem nützt es also, wenn der Teufel seine Sünden bereut?»
Bruder Göck zuckte mit den Achseln. «Gott nicht. Den Menschen vielleicht.»
«Hmm», brummte der Pater. «Gott schadet es, wenn der Teufel seine Sünden bereut. So sehe ich das. Denn wenn die Menschen nicht mehr in Not, Gewissensqual und Seelenbedrängnis sind, werden sie sich weniger an Gott erinnern. Ein Glücklicher betet nicht, das weiß jeder. Spenden, Messen und Gebete stiften die, die Gottes Hilfe erbitten. So ist das. Wenn es den Teufel nicht mehr gibt, dann wird auch Gott überflüssig. Also muss es Gott ein Anliegen sein, dass der Teufel eben NICHT seine Sünden bereut. Kannst du mir folgen?»
Bruder Göck nickte. Er hatte sich im Lehnstuhl zurückgelehnt, die Ellbogen auf die Seiten gestützt und die Finger zu einem Dreieck vor seinem Kinn gefaltet.
«Du meinst also, Gott braucht den Teufel, weil der Mensch ohne den Teufel Gott nicht braucht?»
«Genau. Die Frage, die sich mir nun stellt, lautet: Sind Gott und der Teufel ein und dasselbe? Hat Gott vielleicht sogar den Teufel geschaffen?»
Bruder Göck verzog das Gesicht, kratzte sich am Ohr. «Deine These ist sehr abenteuerlich, mein lieber Pater Nau.» Bruder Göck wirkte besorgt. «Es wird besser sein, wenn du niemandem davon erzählst.»
Der Pater nickte. «Früher, da hieß es: ‹Die Stimme ist von Gott geschenkt. Es frevelt, wer da anders denkt.› Heuteweiß man noch nicht einmal mehr, von wem die Gedanken sind. Nur eins scheint mir sicher: Wenn Gott und Teufel ein und dasselbe sind, ein Dualismus sozusagen, dann hilft kein Exorzismus dieser Welt.»
«Ich habe Angst um dich, Heinz», sagte Hella. Sie saßen nebeneinander auf der Holzbank, die hinter der Küche in dem kleinen Garten stand. Die Sonne war längst untergegangen, aber noch immer lärmten die Feuerglocken und riefen alle Männer auf, zu Hilfe zu eilen. Heinz Blettner musste diesem Ruf nicht folgen. Als Richter war es womöglich seine Aufgabe, den Brand zu untersuchen. Deshalb durfte er sich nicht an den Löscharbeiten beteiligen. Seine Unvoreingenommenheit musste unter allen Umständen gewahrt bleiben.
«Warum hast du Angst um mich?», Heinz nahm Hellas Hand und küsste sie.
«Der Schultheiß. Er will dich zur Verantwortung ziehen, wenn der Fall nicht bald aufgeklärt wird.»
«Ach, das.» Heinz Blettner winkte ab. «Mach dir keine Sorgen. Der hat einfach nur Angst. Bis jetzt haben wir noch jeden Fall gelöst. Doch jetzt sage mir, warum du im Roten Ochsen gewesen bist.»
Hella schluckte. Am liebsten hätte sie gelogen, doch Heinz war ein erfahrener Ermittler. Sie musste damit rechnen, dass er eine
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