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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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doppelt so alt war wie der Mönch.
    Angelika hatte alle Hände voll zu tun. Vor ihrem Stand standen vier orientalische Händler, die sich sehr für die Schriften der heiligen Hildegard interessierten.
    Im Augenblick sprachen alle vier gleichzeitig auf Angelika ein. Die verdrehte die Augen ein wenig, als sie Gustelies sah, und winkte sie zu sich heran.
    «Diese Frau hier», schrie sie beinahe, «ist eine Kennerin, was die heilige Hildegard angeht. Sie weiß alles darüber.»
    Sofort drehten sich die vier Herren um und standen Gustelies gegenüber. «Stimmt es, dass sie eine Heilige war?», fragte der Erste. «Stimmt es, dass Euer Gott von Antlitz zu Antlitz mit ihr gesprochen hat?»
    «Ich habe gehört, sie hat den Männern widersprochen. Konnte sie das, weil sie eine Heilige war? Steht sie über der Mutter Maria?»
    «Ist es wahr, dass sie wunderbar kochen konnte? Das Urbild des Weibes sozusagen? Bewandert in Koch- und Heilkunst, dazu demütig und barmherzig?» Der Orientale, der dies sagte, bekam glänzende Augen.
    Gustelies kniff die Augen zusammen und schüttelte leicht den Kopf. «Ich höre nur Unsinn», sagte sie energisch und stellte den Weidenkorb zu ihren Füßen ab. Sie sah nicht, dass Angelika zufrieden lächelte und Hella zu sich winkte.
    «Hildegard von Bingen», begann sie im Brustton der Überzeugung. «Hildegard von Bingen war mitnichten ein Weib, welches sich nur durch Kochen, Heilen und Demut auszeichnete. Hildegard von Bingen war eine große Denkerin, jawohl, eine Philosophin und Theologin, die sich mit den klügsten Männern ihrer Zeit messen konnte. Sie war außerdem eine außergewöhnlich begabte Komponistin, eine überzeugende Predigerin und natürlich eine Wissenschaftlerin von Gottes Gnaden, jawohl.»
    Sie holte tief Luft, die Orientalen schwiegen beeindruckt.
    «Ein Zelt für den Willen ist im Herzen des Menschen das Gemüt. Die Erkenntnis, der Wille und alle Seelenkräfte entsenden, je nach Stärke, ihren Hauch in dieses Zelt. Sie alle werden in ihm erwärmt und verschmelzen miteinander», sprach Gustelies mit ausgebreiteten Armen und Predigerton.
    «Bitte?», fragte einer der Orientalen. «Was sagt Ihr da?»
    «Nicht ich sprach da», erklärte Gustelies. «Sondern Hildegard von Bingen.»
    Die anderen schwiegen beeindruckt, sahen einander an und nickten voller Ehrfurcht. Nur einer, der Älteste der kleinen Gruppe, räusperte sich. «Wir hörten davon, dass Hildegard es vermochte, mit der Kraft der Steine zu heilen. Darüber wollten wir etwas wissen, darüber ein gedrucktes Werk erstehen.»
    «Hmm.» Gustelies legte den Kopf schief. «Da gab es was. Ich weiß es genau. Interessiert hat’s mich aber nie, denn ich kann mir keine Edelsteine leisten. Nicht zum Schmuck und schon gar nicht zum Heilen. Diamanten soll man im Wasser kochen und dieses dann trinken, um gesund zu werden. Meint Ihr das?»
    Die Orientalen nickten.
    «Tja, da kann ich Euch auch nicht helfen.» Gustelies sprach es mit offensichtlicher Erleichterung und ließ die Männer stehen. Sie wandte sich an Hella, raunte ihr ins Ohr, sodass auch Angelika es hören konnte: «Irgendwie kann ich es nicht leiden, wenn sich Männer für meine Hildegard interessieren.»
    Angelika nickte. «Kann ich verstehen. Die meisten haben ja doch nur im Sinne, sie schlechtzumachen und ihre Leistungen zu schmälern.»
    Hella lächelte. «Du und deine Hildegard», spottete sie. «Manchmal glaube ich, ohne Hildegard von Bingen wärst du nur halb. Wenn ich allein an die Sprüche denke, die du tagtäglich von dir gibst und die von der Hildegard stammen!»
    «Ja, lach du nur. Ich habe ein Vorbild. Das ist wichtig im Leben.»
    Da wurde Hella stumm. Was sollte sie auch sagen? Dass ihre Mutter ihr Vorbild war? Stimmte das denn? Würde sie, Hella, sich als Witwe ins Pfarrhaus zurückziehen und ihr Lebensziel darin sehen, die beste Kuchenbäckerin zu sein und «der guten Haut» ihren Platz streitig zu machen?
    «Wo wir gerade von derlei Dingen sprechen», sagte da eben Gustelies, «was gibt es Neues von meinem Zauberbuch?»
    «Nichts», erwiderte Angelika. «Das Buch ist bisher in Frankfurt nicht aufgetaucht. Ich jedenfalls habe weder etwas gehört noch gesehen. Auch die geheime Loge, Doktor Faustens Loge genannt, scheint es nicht zu geben. Jedenfalls habe ich auch davon nichts mehr gehört.» Angelika rückte ein Buch gerade, welches von der Auslage zu kippen drohte. «Irgendwie glaube ich auch gar nicht richtig an den ganzen Zauberkram.» Sie konnte Gustelies

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