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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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allerdingsbei diesen Worten nicht in die Augen sehen. «Jetzt stell dir doch mal vor, das Buch gäbe es wirklich und es stünde wirklich darin, wie man Gold macht. Was wäre dann?» Sie wartete die Antwort nicht ab, sondern sprach gleich weiter. «Dann wäre Gold auf einmal nichts mehr wert. Wenn alle Gold machen können, dann gäbe es schon sehr bald mehr Gold als Flusskiesel. Rar ist nur, was selten ist. Also.»
    «Rar ist nur, was selten ist», sprach Gustelies nach und hob den Zeigefinger. «Du hast natürlich recht, meine Liebe. Und im Grunde will ich auch gar kein Gold machen. Alles, was ich brauche, ist ein tolles Rezept.»
    Angelika nickte, dann schob sie sich vom Fass und kramte in einer Kiste mit zahlreichen losen Blättern.
    «Irgendwo muss es doch sein», murmelte sie dabei vor sich hin. «Ich habe es doch gestern noch gesehen.»
    «Was suchst du?», fragte Gustelies, und Hella hockte sich neben die Buchdruckerin.
    «Ein Blatt mit seltenen Rezepten. Aber keine Koch- oder Backrezepte, sondern welche, mit denen man Kuchen und Braten einfärben kann. Ach, hier habe ich es ja!»
    Triumphierend hielt sie ein Blatt hoch. Gustelies nahm es ihr vorsichtig aus der Hand und las laut vor: «Nicht nur mit einem dreifarbigen Mandelmilchgelee legt eine Hausfrau Ehre ein, auch mit getönten Hühnern, Fisch und Fleischspeisen lässt sich Eindruck erwecken. Grün färbt man Speisen mit Hilfe von Petersilie oder Spinat, jedoch muss man beim Marzipan mit Geschmacksveränderungen rechnen. Schwarzbrot oder geriebenen Lebkuchen nimmt man, um Speisen schwarz zu färben, auch Nelkenpulver und Kirschsaft sind dafür geeignet.
    Beerensäfte und Rote Beete für rote Gerichte. Safran benötigt man, um Speisen einen gelben Anstrich zu verleihen.Auch Eigelb mit Mehl kann dazu verwandt werden. Um etwas braun zu färben, nimmt man Zwiebelschalen.»
    Gustelies ließ das Blatt sinken, sagte gedankenverloren: «Ich habe schon einmal davon gehört», und blickte durch Angelika und Hella hindurch in weite Fernen.
    Hella stieß Angelika an. «Ich wette, sie hat gerade einen Einfall, wie sie bei Mariä Geburt ‹die gute Haut› ausstechen kann.»
    Angelika lachte. «Ich werde da sein und mit eigenen Augen sehen wollen, was sie zusammengezaubert hat.»
    Keine der Frauen hatte bemerkt, dass der Himmel sich immer mehr mit Wolken bedeckte. Grau und schwer wie nasse Federbetten hingen sie über den Dächern der Stadt. Schon fielen die ersten Tropfen. Die Buchverkäufer und Drucker sprangen hinter ihren Verkaufsständen hervor und rafften ihre Bücher zusammen, so schnell sie konnten.
    «Kommt, fasst mit an!», bat auch Angelika, spannte ihren Rock auf und ließ sich von Hella Bücher hineinschichten.
     
    Der Regen, auf den alle so lange gewartet hatten, prasselte jetzt zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt auf die Stadt hernieder. Es war nicht nur ein normaler Markt- und Messetag, sondern überdies noch Kornmarkt. Die Bauern aus dem ganzen Umland, aus der Wetterau, aus dem Spessart, dem Odenwald, dem Taunus und sogar aus der Rhön boten ihre Ernte an. Sie hatten Weizen, Hafer, Roggen und Gerste in Säcke gefüllt, boten Raps- und Sonnenblumenöl in Krügen feil, dazu Äpfel, Honig und die letzten Nüsse vom Vorjahr. Doch jetzt, im strömenden Regen, räumten sie alles hastig zusammen. Geschrei hallte über den Platz.
    «Rette das Korn! Nun mach schon», brüllte ein Bauerseine Frau an. «Du weißt doch, dass sonst die Ratten drangehen.» Und die Frau, klein, zart und überdies sichtbar schwanger, stemmte sich einen Sack auf die Schulter, brach unter der Last zusammen und lag am Boden. Der Regen durchnässte in Blitzesschnelle ihr Kleid, der Bauer kümmerte sich um die restlichen Säcke.
    Bruder Göck seufzte, dann eilte er zu der jungen Frau, half ihr hoch, stützte sie und führte sie unter den schützenden Giebel eines Handelshauses. Sogleich öffnete sich die Tür, und eine Magd schaute neugierig heraus. «Kümmert Euch um die Frau», befahl der Antoniter, malte der Schwangeren ein Kreuzzeichen auf die Stirn und hastete weiter.
    Die Regentropfen zerplatzten auf dem Pflaster oder bildeten dort Blasen. In den ungepflasterten Gassen sog sich die ausgetrocknete Erde in Windeseile mit dem Nass voll. Zwei kleine Mädchen in grauen Kleidchen hielten sich an den Händen und tanzten. Ihre Zöpfe flogen und lösten sich nach und nach auf. Eine kleine Gruppe halbnackter Jungen hockte im Schlamm und war bis zu den Oberarmen damit beschmiert. Die Hausfrauen

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