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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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verwandten Kaufmann die Kniffe des Überseehandels erlernen sollte. Eines Tages war er wieder da gewesen und der Junge zum Mann gereift. Unter dem Maibaum hatten sie miteinander getanzt. Und er hatte ihre Brüste beim Tanzen ganz leicht mit seinem Daumen gestreichelt. Wie selig war sie gewesen!
    Wenige Wochen später hatte der Richter Kurzweg um sie geworben. Eine gute Partie. Sie konnte sich glücklich schätzen, das sagten alle. Und Gustelies war tatsächlich glücklich geworden. Später allerdings. Viel später.
    Wie gern war sie von hinten an den Schreibtisch ihres Mannes getreten. Und er hatte sich umgedreht, hatte sie umarmt. Hatte eigentlich ihre Hüften umarmt und sein Gesicht an ihren warmen Bauch gepresst. Das war schön gewesen. Sie dachte oft daran, auch wenn es eher eine geschwisterliche Umarmung gewesen war. Trotzdem hatte sie sich sicher und geborgen gefühlt. War das nicht das Wichtigste im Leben? Das und Gottes Wohlgefallen?
    Dann war Tom gekommen, der Gaukler. Ein schöner Mann, mit durchdringenden Blicken aus seinen dunklen Haselnussaugen. Sein schönes, weiches Haar, seine langen Finger, die so zärtlich über die Laute geglitten waren. Die raue und zugleich sanfte Stimme, mit der er sich in ihr Ohr geschmeichelt hatte. Wenn sie an Tom dachte, begann ihr Leib zu glühen. Ihr Mund wurde trocken, und sie musste schlucken. Das war ein merkwürdiges Gefühl. Ein wenig sündig und anziehend zugleich. Aber Tom war fort. Und er würde wohl auch nicht wiederkommen. Ein Gaukler war er, ein Fahrender. Nicht gemacht für Weib, Herd und Familie. Gustelies seufzte.
    Und jetzt Arvaelo. Er war ganz anders. Seine Anwesenheit war so übermächtig, dass all die anderen plötzlich nicht mehr galten. Als hätte es sie nie gegeben. Arvaelo. Sein Geruch war der Geruch des Mannes schlechthin. Seine Augen schienen ihren Leib zu durchdringen, wie es Adam wohl bei Eva gemacht hatte. Ja, das war es. Arvaelo war Adam, der erste Mann, so wie Gustelies Eva war, das erste Weib, die Urmutter. Und jedes Wort, das Arvaelo sprach, schuf einen neuen Begriff. Jede Berührung brachte ein neues Ding zur Welt. Weltenschöpfer. Ja, vielleicht war er das. Ein Weltenschöpfer.
    Von draußen klang die Vesperglocke des St.-Katharinen-Klosters. Es wurde Zeit. Gustelies erhob sich aus dem Wasser, trocknete sich ab und salbte sich mit Rosenöl. Ihre Hände taten alles, was sie tun sollten. Sie streiften Kleidung über Haut, ordneten Haar, rührten in Kochtöpfen. Aber ihre Gedanken flogen wie Samen von Pusteblumen umher. Fast schon spürte Gustelies seine Hände auf sich. Fast schon konnte sie seinen Duft erahnen. Fast schon fragte sie sich, ob es überhaupt nötig war, dass er kam. Dass er ihre Erinnerungen an ihn mit seiner Gegenwart störte. Sie lachte bei dem Gedanken, schalt sich einfältig, eine dumme Gans.
    Da klopfte es an der Tür. Gustelies stolperte, verfehlte zwei Mal den Türknauf, wünschte «Guten Morgen», obwohl die Dämmerung schon durch die Gassen zog.
    Mit dem Fuß stieß Arvaelo die Tür hinter sich zu und zog Gustelies in seine Arme. Hielt sie. Mehr nicht. Sie wartete. Auf einem Kuss, ein Wort, eine Berührung. Auf irgendwas. Aber nichts geschah. Er hielt sie. Sein Blick war auf ihre Augen gerichtet. Wie sollte sie gucken? Abwartend? Fragend? Überlegen? Verlegen? Sie wusste es nicht und sahüber seine Schulter hinweg auf die weiß verputzte Wand. Warum musste er immer alles anders machen als andere Männer? Nie, niemals wusste sie, was er erwartete. Das war nicht gut. Das war nicht gut. Sie hatte doch nur gelernt, auf Erwartungen zu reagieren. Und jetzt war er da. Arvaelo. Dieser Mann, der anders war. Der Mann, der auf sie wartete. Auf das, was sie tat. Noch immer hielt er sie, ganz fest. Sie spürte seine Hände auf ihrem Rücken, seine Wärme, den sanften Druck. Sie fühlte sich von Augenblick zu Augenblick unbehaglicher. Was sollte sie seiner Meinung nach tun? Er ließ einfach nichts erkennen. Schließlich spitzte sie einfach die Lippen und presste ihren Mund auf den seinen. Fest, beinahe roh. Nicht aus Liebe. Nicht aus Begehren. Nicht aus Zärtlichkeit. Sie küsste einfach, weil sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte. Und sie spürte seinen Mund unter ihren Lippen lachen.
    Ihr Gesicht noch immer auf das seine gepresst, runzelte Gustelies die Stirn. Hätte sie Atem gehabt, so hätte sie wohl gefragt, warum er lachte. Lachte er sie aus? Hatte sie etwas falsch gemacht? Doch halt! Jetzt küsste er zurück. Er

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