Höllenknecht
schmeckte so gut, so fremd. Süß und scharf zugleich. Sein Atem verbrannte und linderte in einem. Seine Hände beruhigten und erregten. Sie fühlte sich geborgen und so schutzlos wie nie.
«Komm!», flüsterte sein Mund an ihrem. Er löste sich langsam von ihr, nahm sie bei der Hand, zog sie mit sich. Am Fuß der Treppe blieb er stehen. «Nach oben?», fragte er. Einen winzigen Augenblick nur, weniger als einen Lidschlag lang, fragte sich Gustelies, was aus ihrem Essen werden mochte, aber dann waren sie schon oben, und sie fragte sich gar nichts mehr. Alles, was sie je hatte erfahren wollen, wusste sie plötzlich. Seine Hände, die über ihre Haut glittenund sie glätteten, die alles Alte, Schlaffe wegstreichelten und ihr die Jugend und Schönheit wiedergaben. Seine Lippen, der Gluthauch seines Mundes, der wie Wüstenwind über ihren Leib fegte und ihn unter Feuer setzte. Sie fragte sich, warum das Bett kein Feuer fing, wo doch ihre Haut glühte, ihr Schoß. Dann hörte auch das auf und sie spürte nur noch ihn. Arvaelo. Sie lagen Herz an Herz, Haut auf Haut. Seine Hände waren sanft, neugierig, hart, zärtlich, fordernd. Er spielte mit ihr, spielte mit ihrer Lust, bis sie sich selbst vergaß und neu geboren wurde in ihm. Neugeschaffen als liebende Frau, als Begehrende, Bedürftige, als Weib mit Haut und Haar und Herz. Als Urweib, als Eva, die nach dem Apfel griff, ihn nicht von der Schlange nahm, sondern Adam, ihrem Urmann, aus der Hand aß.
Der Abend wurde zum Abenteuer. Nichts war, wie Gustelies es sich gedacht hatte. Erschöpft lagen sie nebeneinander. Sie wollte die Decke über sich ziehen, doch Arvaelo hielt ihre Hand fest. «Frierst du etwa?», fragte er.
«Nein. Im Gegenteil. Mir ist heiß.»
«Warum willst du dich dann zudecken?»
Gustelies lachte verschämt. «Eine Frau sollte sich einem Mann nicht nackt zeigen.»
Arvaelo drehte sich auf die Seite, stützte den Ellbogen auf und den Kopf in die Hand. «Warum nicht? Schönheit darf man nicht verstecken. Niemand pflanzt Blumen im Keller.»
Er streichelte über Gustelies’ Bauch, der auch im Liegen nicht ganz verschwand. «Du bist so weich, so warm, so anschmiegsam. Es ist, als könnte ich in dir versinken», raunte er.
Gustelies wurde rot. Sie sah an sich herab, betrachtete ihre Schenkel, hoffte, dass sie so, wie sie lagen, keine Dellen zeigten.
«Du bist schön», sagte er.
Gustelies lächelte und zog die Bettdecke über sich.
«Nein, halt. Sieh mich nicht so an. Lächle nicht so. Ich bin kein kleiner Junge, der seiner Mutter ein Kompliment machen will. Ich bin ein Mann. Ein Mann mit Erfahrung. Und ich finde dich schön, weil ich dich mit den Augen der Liebe sehe. Versteck dich nicht vor mir. Du beleidigst mich damit. Als wäre ich nicht in der Lage, zu sehen, was zu sehen ist. Du bist schön. Zeig dich mir. Nimm die Decke weg.»
Gustelieses Atem ging plötzlich schwer. Sie sollte sich nackt zeigen. Ihr mürbes, fahles Fleisch vorführen. Den Augen der Liebe.
Sie sah ihn an. Sah in die brennenden Augen, die gleich ihren Verfall zu Gesicht bekommen sollten. Und sie sah in den kirschschwarzen Augen etwas, das sie nicht benennen konnte. Dem Etwas war es egal, ob ihr Fleisch mürbe war und an manchen Stellen gar schon Falten schlug. Das Etwas sah darunter, dahinter, darüber, hindurch. Das Etwas sah nur ihren Kern. Sie lächelte, entspannte sich, schob die Decke weg.
Während Arvaelo sie betrachtete, fuhr sie mit dem Zeigefinger über seinen Hals, sein Gesicht. Sie sah die Linien, die das Leben in seine Haut gegraben hatte, und jede einzelne war ihr so wertvoll wie Gold. Sie sah die silbernen Fäden im ansonsten schwarzen Haar und hätte sich am liebsten einen Schmuck daraus geflochten. Und seine Finger glitten über sie, als wäre sie aus edlem, kühlem, glattem Stein. Als wäre sie ein Diamant.
Später saßen sie sich am gedeckten Tisch gegenüber. Das Fleisch zerfiel beinahe, das Gemüse war zerkocht, die Brotrindezu hart. Aber sie hatte nie etwas Köstlicheres gegessen. Arvaelo tunkte das Brot in die Soße, führte es Gustelies an die Lippen, fütterte sie, als wäre sie ein Vögelchen. Sie trank den Wein aus seinem Mund und war vom ersten Schluck berauscht. Ihre helle Hand lag in seiner zimtfarbenen, die Finger verschlungen, als gehörten sie fortan zueinander, als wären sie Teil eines einzigen Körpers, für den es nichts Wichtigeres gab außer der Liebe.
«Ich möchte, dass du meine Frau wirst», sagte Arvaelo.
Gustelies lachte
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