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Hoellennacht

Hoellennacht

Titel: Hoellennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Leather
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falschen Zeit am falschen Ort. Genau wie du. Das ist einfach eines dieser Dinge, die passieren. Eines dieser verdammt blöden Dinge. Wenn du eine Sekunde später vom Bürgersteig heruntergetreten wärest oder wenn er einen anderen Weg gefahren wäre oder wenn er einfach nur geschaut hätte, wohin er fährt, wärest du immer noch da, und…« Nightingale verstummte. Er stöhnte auf, legte sich auf seinen Regenmantel zurück und starrte zum Nachthimmel hinauf, die Flasche auf seinen Bauch gestellt. » Er ist tot, der Mann, der das Taxi gefahren hat. Er hat sich umgebracht. Hat sich die Pulsadern bis auf den Knochen hinunter aufgeschnitten. Gott weiß warum. Vielleicht aus Kummer. Vor lauter Schuldgefühlen.« Nightingale seufzte. » Die Sache mit den Selbstmördern ist doch, dass die nicht wirklich über den Tod nachdenken, über das, was er bedeutet. Du weißt das– du hast die Kurse besucht. Sie glauben, dass das, was sie tun, etwas beweist oder jemandem wehtut, und weil sie nicht logisch denken, stellen sie sich vor, dass sie da sein und sehen werden, welche Wirkung ihr Tod hat. Sie stellen sich vor, sie könnten bei ihrer eigenen Beerdigung zugegen sein und sehen, wie alle weinen und sagen, wie leid es ihnen tut. Wenn sie wirklich über das nachdächten, was ihnen bevorsteht, würden sie sich an jede Sekunde ihres Lebens klammern, weil das Leben alles ist, was es für uns gibt, richtig? Sag es mir, Robbie, habe ich recht?« Er grinste. » Das kannst du nicht, oder? Denn wenn der Tod wirklich das Ende ist, verschwende ich hier meine Zeit. Man kann nicht beweisen, dass es etwas nicht gibt, stimmt’s? Oder ist die Tatsache, dass von dir nichts kommt, die Antwort auf meine Frage, und ich bin nur zu dickköpfig, es einzusehen?«
    Eine Eule heulte. » Das reicht mir auch nicht, Robbie. Gib mir etwas Größeres. Was ist mit diesen Nonnen, die Statuen bluten sehen oder Lahme gehen machen oder Stimmen hören? Wenn sie Stimmen hören können, warum zum Teufel kannst du dann nicht mit mir reden? Flüstere mir nur etwas zu, Robbie– keiner braucht davon zu erfahren. Und wenn es gegen die Regeln ist, dann scheiß drauf, weil wir beide aus demselben Holz geschnitzt sind. Wenn es um des größeren Guten willen nötig ist, verbiegen wir eben die Regeln. Flüstere einfach nur meinen Namen.«
    Der Wind legte zu, und die Äste der Nadelbäume peitschten hin und her und raunten wie ein Wald voll Mörder.
    » Die Bäume zählen auch nicht, Robbie. Hör auf, mich zu verarschen.«
    Der Wind erstarb. Nightingale schloss die Augen und horchte auf das Geräusch seines eigenen Atems. Es wurde totenstill. Kein Wind, kein Verkehrslärm, keine heulenden Eulen und bellenden Füchse. Einfach nur Stille. Vielleicht war so der Tod, überlegte er. Einfach nichts. Perfekte Stille, perfekte Dunkelheit, die ganze Ewigkeit lang nichts mehr. Er holte tief Luft und hielt den Atem an. Kein Geräusch, kein Licht, keine Gefühle, keine Gedanken. Nichts. Er atmete langsam aus.
    » Ich begreife nicht, was los ist, Robbie. Ich begreife nicht, warum du gestorben bist. Ich verstehe nicht, warum mein Onkel Tommy seiner Frau mit einer Axt den Schädel eingeschlagen und sich dann selbst erhängt hat. Ich verstehe nichts von alldem.« Er seufzte. » Also, so sehe ich die Dinge, Robbie. Wenn der Tod das Ende ist, wenn es nichts anderes als dieses Leben gibt, dann macht das Ganze eigentlich keinen Sinn, oder? Der Tod ist Scheiße, Robbie, das weißt du. Anna ist am Boden zerstört, und es wird lange, sehr lange dauern, bis sie sich auch nur einigermaßen fängt. Und was ist mit deinen Kindern? Die Zwillinge glauben immer noch, dass du wiederkommst– sie haben keine Ahnung, was › tot‹ bedeutet. Scheiße, Robbie, du hättest doch einfach nur beim Überqueren der Straße nach links und rechts schauen müssen. Das lernen doch schon die Erstklässler, Mensch noch mal.«
    Nightingale öffnete die Augen und starrte zum Mond hinauf. » Wenn du könntest, würdest du mit Anna reden, nicht wahr? Du würdest ihr sagen, dass sie sich keine Sorgen machen und den Kindern einen Kuss von dir geben soll. Und ich bin mir sicher, meine Mum und mein Dad hätten dasselbe für mich getan. Aber du hast nichts dergleichen unternommen, und sie auch nicht, was bedeutet, dass ihr das nicht könnt, und der Grund dafür ist, dass ihr tot und für immer verschwunden seid.«
    Er schloss erneut die Augen. » Wenn also tot tot ist und es danach nichts mehr gibt, ist dieser ganze Unsinn, dass

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