Hoellennacht
Gosling meine Seele verkauft hat, wirklich einfach nur Unsinn. Es gibt keine Seelen, die man verkaufen könnte. Es gibt keinen Gott und keinen Teufel, keinen Himmel und keine Hölle, und ich sollte einfach aufhören, mir Sorgen zu machen, was Gosling nun getan oder auch nicht getan hat. Denn das Einzige, worüber ich mir wirklich Sorgen machen muss, ist dann, dass ich eines Tages, früher oder später, genauso tot und begraben sein werde wie ihr.« Er lächelte. » Na ja, nicht begraben. Ich werde entweder über das Spielfeld von Manchester United ausgestreut sein oder in einer Eieruhr in Jennys Küche ruhen. Ehrlich gesagt, Robbie, ich weiß nicht, was schlimmer ist– zu wissen, dass der Teufel mich holen wird, oder zu wissen, dass es keine Hölle gibt und dass der Tod das Ende von allem ist.«
Nightingale hörte plötzlich Musik: die Rolling Stones, › Paint it Black.‹ Es war sein Handy, das in seiner Manteltasche steckte. Nightingale lächelte in sich hinein. » Wenn du das jetzt bist, der mich anruft, wäre ich verdammt beeindruckt, Robbie.« Er kramte nach seinem Handy und drückte die grüne Taste, um den Anruf anzunehmen.
» Jack? Jack Nightingale?«
Nightingale erkannte die Stimme nicht, aber Hoyle war es jedenfalls nicht. » Ja?«
» Hier spricht Harry Wilde. Tut mir leid, dass ich Sie am Samstagabend störe, und es tut mir auch leid, dass ich Sie nicht schon früher zurückgerufen habe, aber ich hatte ein Riesentheater damit, mein Notizbuch wiederzufinden. Ich hatte es zu Hause gelassen, und meine Frau hatte es aufgeräumt, die Gute.«
Harry Wilde. Der Polizeisergeant, mit dem er in Gosling Manor gesprochen hatte. » Kein Problem, Harry«, sagte Nightingale. » Hatten Sie Glück mit den Telefonnummern?«
» Das alte Ehepaar hat in Gosling Manor gewohnt. An dem Tag, an dem Gosling sich umgebracht hat, hatte er ihnen frei gegeben, aber am nächsten Tag sind sie zur Arbeit erschienen und wurden im Haus befragt. Natürlich gab es nicht viel, was sie hätten sagen können. Ein paar Tage später haben sie ihren Restlohn erhalten und sind weggezogen. Leider wissen wir nicht, wohin.«
» Das war ja auch nicht von Interesse, weil das Verfahren gleich abgeschlossen wurde, oder?«
» Genau«, sagte Wilde. » Nachdem kein Zweifel mehr an einem Selbstmord bestand, haben wir es alle etwas ruhiger angehen lassen. Ich weiß allerdings ihre Namen. Millie und Charlie Woodhouse. Millicent und Charles. Mit dem Fahrer hatte ich mehr Glück. Er hat die Leiche entdeckt und war daher von größerem Interesse, aber da es ja offensichtlich Selbstmord war, war seine Befragung reine Formsache. Haben Sie etwas zu schreiben?«
Nightingale fischte seinen Parker-Kuli und eine Supermarktquittung aus der Tasche. » Ja«, sagte er.
» Er heißt Alfie Tyler.« Wilde gab ihm eine Adresse und eine Handy-Nummer, und Nightingale schrieb beides auf.
» Ich sollte wohl nicht aus dem Nähkästchen plaudern, aber Alfie hatte früher einmal einen gewissen Ruf«, sagte Wilde. » Er hat als Schuldeneintreiber für eine der Londoner Gangs gearbeitet und wegen Körperverletzung vier Jahre gesessen.«
Nightingale bedankte sich und packte das Handy wieder weg. » Verdammt, Robbie, ich brauche einen richtigen Drink«, sagte er. Er stand auf und goss den Rest des Weins über dem Grab aus. » Von Rotwein kriege ich immer einen scheußlichen Kater«, sagte er und warf die leere Flasche zu den Bäumen hinüber.
50
Alfie Tylers Zuhause war nicht so, wie Nightingale es erwartet hatte. Es war ein Siebenzimmerhaus im Pseudo-Tudorstil mit einem hohen Schornstein am Stadtrand von Bromley. Es hatte eine Doppelgarage, und im Vorgarten lag ein mit Steinen eingefasstes Becken. Vor der Garage parkte ein glänzend schwarzer Bentley. Nightingale hatte das Wählerverzeichnis überprüft: Eine Mrs. Tyler gab es nicht. Nach einem flüchtigen Blick auf das Haus war Nightingale sich auch ziemlich sicher, dass hier keine kleinen Tylers wohnten. In der Annahme, dass das die beste Zeit war, Tyler zu Hause anzutreffen, war er am Sonntagvormittag dorthin gefahren.
Nightingale warf die Zigarette, die er geraucht hatte, auf den Bürgersteig und trat sie aus. Er hatte auf Tylers Festnetzanschluss angerufen und wusste, dass man zu Hause war. Anders als in Gosling Manor schien es keine Überwachungskameras zu geben. Das große, schwarze, schmiedeeiserne Tor war nicht verschlossen, und so stieß er es auf und ging über die Zufahrt zur Eingangstür. Die war schwarz
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