Hoellennacht
Tyler zuckte die Schultern und griff zu. Nightingale gab ihm Feuer. » Okay, die Sache ist die, Alfie. In den nächsten ein, zwei Jahren brauche ich keinen Wagen und bin sowieso ein Cabrio-Fan. Ich spüre gerne den Wind im Haar.«
» Hä?«
» Was ich Ihnen sagen will, ist Folgendes: Ich bin vollkommen damit einverstanden, dass Sie den Bentley behalten, umsonst, gratis, wie auch immer, aber als Gegenleistung möchte ich, dass Sie mir erzählen, was Gosling in den Wochen vor seinem Tod so getrieben hat.«
Tylers Augen verengten sich. » Wo ist der Haken?«
» Es gibt keinen Haken, Alfie. Ich unterschreibe sogar hier an Ort und Stelle ein Dokument, in dem steht, dass er Ihnen gehört.«
Wieder runzelte Tyler die Stirn. » Krieg ich noch eine von den Karten da?«
» Nur wenn Sie mir versprechen, sie nicht wegzuwerfen«, sagte Nightingale.
» Was?«
» Sie sagen ganz schön oft › was?‹– wissen Sie das?« Nightingale reichte ihm eine neue Visitenkarte.
Tyler las die Karte mit gespitzten Lippen. » Warum hat Mr. Gosling Sie zu seinem Erben gemacht?«
» Das ist eine lange Geschichte.«
» Erzählen Sie mir die Kurzversion.«
» Ich bin sein Sohn.«
» Mr. Gosling hat mir nie gesagt, dass er einen Sohn hat.«
» Tja, ich bin das Familiengeheimnis«, sagte Nightingale. » Aber Gosling Manor gehört jetzt mir. Und der Bentley genauso. Also, reden wir beide jetzt miteinander, oder nicht?«
Tyler zog lange an seiner Zigarette und nickte dann. » Okay«, sagte er. » Was wollen Sie wissen?«
» Ein bisschen Zeit werden wir brauchen«, sagte Nightingale. » Am besten, Sie bitten mich herein, dann können wir uns bei ein, zwei Drinks unterhalten.«
51
Tyler visierte an seinem Queue entlang, ließ die weiße Kugel gegen Nummer fünf krachen und grinste, als diese in eine Seitentasche schoss. » Und schon wieder schulden Sie mir einen Zehner«, sagte er und streckte die Hand aus.
Nightingale nahm seine Brieftasche heraus und reichte ihm einen Zehnpfundschein. » Daran erkennt man eine vergeudete Jugend«, sagte er.
Tyler hatte im Keller eine Bar eingerichtet, mit Flaschenhaltern, Zapfsäulen, einem Billardtisch, einer Jukebox, einem halben Dutzend Spielautomaten und allem Drum und Dran. An einer Wand hingen Dutzende gerahmter Fotos eines jüngeren Tyler mit bekannten Gangstern, Filmstars und sogar ein paar Angehörigen der Metropolitan Police. Nightingale erkannte zwei hochrangige Beamte des Flying Squad, die beide den Dienst aus gesundheitlichen Gründen quittiert hatten und nun in palastähnlichen Villen in Spanien lebten. Die meisten Gangster hatten sich entweder aus dem Geschäft zurückgezogen oder waren gestorben, aber soweit Nightingale sich erinnerte, hatte keiner hinter Gittern gesessen.
» Im Gefängnis gab es sonst nicht viel zu tun«, sagte Tyler.
» Wie lange haben Sie bekommen?«, fragte Nightingale.
» Ich war zweimal im Knast, achtzehn Monate und vier Jahre«, antwortete Tyler. » Als ich zum zweiten Mal rausgekommen bin, habe ich angefangen, für Mr. Gosling zu arbeiten. Er hat meinen Bewährungshelfer gekannt, und ich habe ihn besucht. Wir haben uns auf Anhieb verstanden.«
» Waren Sie je im Keller von Gosling Manor?«, fragte Nightingale.
» Keller? Wusste gar nicht, dass es einen gibt«, antwortete Tyler, während er die Kugeln wieder aufbaute. » Wie wär’s mit zwanzig Pfund pro Spiel? Dann hätten Sie eine Chance, Ihr Geld zurückzugewinnen.«
» Hauen Sie mich übers Ohr, Alfie?«, fragte er.
» Das würde mir im Traum nicht einfallen«, antwortete Tyler. » Sie sind also wirklich Mr. Goslings Sohn?«
» Er hat mich bei der Geburt zur Adoption freigegeben«, sagte Nightingale. » Wie lange haben Sie für ihn gearbeitet?«
» Fast fünfzehn Jahre«, antwortete Tyler.
» Und er hat Sie gut bezahlt, oder? Denn Sie haben hier ja ein ganz schön feudales Heim.«
Tyler grinste. » Das Haus hier hatte ich schon lange, bevor ich für Mr. Gosling gearbeitet habe. Ich war in meinen besten Zeiten ziemlich produktiv.«
» Und warum waren Sie dann sein Chauffeur, wenn Sie das Geld gar nicht brauchten?«
» Er war ein ganz besonderer Mensch, Ihr Dad«, sagte Tyler und legte die weiße Kugel an die richtige Stelle. Er griff nach Nightingales Marlboros und nahm sich eine Zigarette heraus. » Er hatte genug Charme, um die Vögel von den Bäumen zu locken. Und was für Leute er kannte! Filmstars, Geschäftsleute, Profisportler. Jeder mochte Ainsley Gosling. Sie haben ihn umschwirrt wie
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