Hoellennacht
fragte Anna. » Bitte sag uns, was du willst.«
Das Glas bewegte sich erneut. Es glitt zum D, dann zum A, und buchstabierte langsam: › DASS DU ‹.
Es blieb stehen. » Was?«, fragte Hoyle und starrte es an. » Was soll Jack tun?«
Das Glas bewegte sich erneut ruckartig und wählte schnell hintereinander die Buchstaben V-O-E-G-E-L-S-T-J-E-N-N.
» Vögelst Jenn?«, fragte Nightingale, und dann wurde es ihm plötzlich klar. Er fluchte und zog seinen Finger weg. Anna und ihr Mann brachen in Gelächter aus.
» Ihr beiden seid die reinsten Kinder«, schimpfte Nightingale, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich auf dem Stuhl zurück.
» Dein Gesicht!« Hoyle begeierte sich.
» Komm schon, gib’s zu, wir haben dich drangekriegt«, sagte Anna.
» Das ist überhaupt nicht komisch«, gab Nightingale zurück.
» Aus unserer Sicht schon«, bekundete Hoyle. » Ich möchte, dass du Jenny vögelst…«, sagte er mit unheimlicher Stimme und krallte die Finger in die Luft. » Das ist es, was wir in der Geisterwelt wollen. Wir wollen, dass jemand mit Jack ins Bett geht.« Er stand auf, holte sich seinen Wein und kehrte zur Couch zurück. » Du hast den Köder geschluckt, mit Haken, Schnur und allem Drum und Dran.«
» Nur weil ich euch vertraut habe«, sagte Nightingale. » Und diesen Fehler werde ich nicht wiederholen.«
Anna knüllte das Papier zusammen und warf damit nach Nightingale. Es traf ihn am Kopf und fiel dann zu Boden. » Ich geh heim«, sagte er.
» Sei nicht böse«, flötete Anna.
Nightingale stand lachend auf. Er streckte die Arme aus und umarmte sie. » Du fieses Stück«, knurrte er.
» Worte tun nicht weh«, gab Anna zurück.
Nightingale küsste sie auf die Wange und winkte Hoyle zu. » Ich zahl dir’s heim, das weißt du.«
» Na, das will ich doch hoffen.« Hoyle hob grüßend sein Glas.
15
Nightingale wachte am Freitagmorgen früh auf; Simon Underwoods Worte hallten noch in seinen Ohren nach. Nun hatte er den Traum schon die zweite Nacht in Folge. Er setzte sich auf, fuhr sich mit den Händen durchs Haar und entdeckte sein Bild in der Spiegeltür des Schranks an der gegenüberliegenden Wand. Sein Gesicht war in Schweiß gebadet, und er hatte dunkle Ringe unter den Augen, als hätte er seit einer Woche nicht mehr geschlafen.
Er stöhnte, steckte sich eine Zigarette an und rauchte sie bis zum Filter runter, duschte dann und tappte nackt in die Küche, um sich einen schwarzen Kaffee zu machen. Während er ihn trank, rief er seinen Onkel Tommy an. Es war erst halb sieben, aber seine Tante und sein Onkel waren seit jeher Frühaufsteher.
Seine Tante nahm auch diesmal ab, sagte aber nichts, sondern rief einfach nur ihren Mann.
Onkel Tommy klang zögernd. » Ja, Jack, wie geht’s dir?«
» Danke, gut. Ich hab vor ein paar Tagen bei euch angerufen.«
» Ja, tut mir leid, Junge, ich war beschäftigt.«
» Ich muss mit dir über Mum und Dad reden.«
» Ja, das hat Linda schon gesagt. Aber es ist kompliziert, und ich bin mir nicht sicher, ob dein Dad gewollt hätte, dass ich mit dir darüber spreche.«
» Er ist tot, also kann ich ihn oder Mum nicht fragen, aber ich muss die Wahrheit wissen. Das kannst du doch verstehen, oder?«
Sein Onkel seufzte, antwortete aber nicht.
» Wir müssen darüber reden, Onkel Tommy«, beharrte Nightingale.
» Ja, Junge. Du hast wohl recht.«
» Wie wär’s, wenn ich Sonntag nach Altrincham komme? So gegen zehn Uhr morgens?«
Sein Onkel legte die Hand auf die Sprechmuschel und sagte etwas zu seiner Frau. » Linda sagt, du kommst am besten zum Essen, Jack. Sie macht einen Braten.«
» Dann also bis Sonntagmittag.«
» Jack, schau… Das alles tut mir leid.«
» Reden wir am Sonntag darüber, Onkel Tommy. Es wirdleichter sein, wenn wir uns dabei ins Gesicht sehen können.«
Nightingale saß schon an seinem Schreibtisch, als Jenny hereinkam. Sie ließ ihre Tasche auf ihren Schreibtisch fallen, zog die Turnschuhe aus und schlüpfte in ein Paar Highheels von Chanel, mit hübschen Schleifchen hinten. » Der frühe Wurm«, sagte sie.
Er studierte das Buch, das er aus dem Keller von Gosling Manor mitgenommen hatte, und blickte missbilligend über die Seiten hinweg. » Ein bisschen Respekt wäre nett«, sagte er, » da ich doch der Chef bin und so. Ich konnte nicht schlafen. Bin hergekommen, um mir die DVD noch einmal anzuschauen.«
» Machst du dir Sorgen deswegen?«
» Mein Vater teilt mir mit, dass er meine Seele an einen Teufel verkauft hat,
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