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Hoellennacht

Hoellennacht

Titel: Hoellennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Leather
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Dauerkarte gehabt, so lange Jack zurückdenken konnte, und auch er selber hatte damals oft zum Geburtstag seine eigene Dauerkarte geschenkt bekommen. Das war ihr gemeinsames Ding gewesen, und die Spiele gehörten mit zu den glücklichsten Erlebnissen seiner Kindheit. Sein Vater hatte ihm geholfen, Autogramme der Stammspieler zu sammeln. Bei Wind und Wetter hatte er mit ihm vor dem Eingang der Umkleidekabine gestanden, und zum Zeitvertreib hatten sie sich gegenseitig die Kader bis zurück zum Beginn der Fünfzigerjahre abgefragt. Nach dem Tod seiner Eltern war Nightingale noch ein- oder zweimal zu einem Spiel gegangen, aber es war nicht mehr dasselbe gewesen, und er hatte seine Dauerkarte nicht verlängert. » Wusste ich doch, dass ich dich hier finde«, sagte jemand hinter ihm. Jenny.
    » Versteckt habe ich mich ja nicht gerade, und das hier ist das Lokal, das dem Büro am nächsten liegt«, erwiderte er. Er schaute auf die Uhr. Kurz vor zwanzig Uhr. » Warum bist du noch nicht zu Hause?«
    Sie hielt eine Tragetasche der Supermarktkette Waitrose hoch. » Ich war im Büro und habe in dem Gosling-Tagebuch gelesen«, sagte sie. » Darüber habe ich die Zeit vergessen.« Sie legte die Tragetasche auf die Theke und bestellte beim Barmann ein Glas Weißwein. » Können wir uns an einen Tisch setzen?«, fragte sie Nightingale. » Wenn ich an der Theke stehe, komme ich mir immer wie eine Säuferin vor.«
    » Ich komme mir auch wie ein Säufer vor, aber dafür ist es ja noch zu früh«, sagte Nightingale. Er grinste und zeigte auf einen leeren Tisch. » Setz dich schon mal, dann hole ich dir deinen Drink.«
    Jenny schlängelte sich zwischen den Tischen hindurch und setzte sich. Sie legte die Tragetasche vor sich und nahm sich eins von den Grissini. Nightingale brachte ihren Wein und die Flasche Corona zum Tisch und setzte sich ihr gegenüber.
    » Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie.
    » Natürlich. Warum denn nicht?«
    » Du warst still, das ist alles.«
    » Ich habe gearbeitet.«
    » Wie viele Bier hast du getrunken?«
    Nightingale kicherte. » Was bist du, die Alkoholpolizei?«
    » Du fährst doch nicht etwa, oder?«
    Nightingale hob sein Glas. » Nein, Jenny, ich fahre nicht.«
    » Und du bist dir sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist?«
    Er trank einen Schluck Bier. » Es geht mir gut«, sagte er. » Bestens.« Er nickte zu der Tragetasche hinüber. » Hast du da irgendeinen Sinn hineinbekommen?«
    Vier Frauen in Businessanzügen brachen am Nachbartisch in Gelächter aus. Sie waren alle Anfang dreißig, trugen zu viel Make-up und Schmuck und maßen sich gegenseitig mit humorlosen Blicken. Nightingale schätzte sie als Kolleginnen und nicht als Freundinnen ein. Er suchte Blickkontakt zu einer von ihnen, und sie verzog abschätzig das Gesicht. Nightingale lächelte in sich hinein, unbeeindruckt von ihrer Verachtung.
    » Weswegen lächelst du?«, fragte Jenny.
    » Ich bin nur glücklich, dass du so bist, wie du bist, und nicht wie diese Weiber da drüben.«
    » Weiber?«
    » Diese Zicken mit ihren bösen Gesichtern und ihren Businessanzügen, die Sekt trinken und die Zähne fletschen.«
    » Das klingt ein bisschen frauenfeindlich«, sagte Jenny.
    » Ich liebe Frauen«, entgegnete Nightingale.
    » Das stimmt nicht«, widersprach Jenny. » Du magst manche Frauen, und du tolerierst den Rest.«
    » Ich halte ihnen die Tür auf und mache im Bus meinen Platz für sie frei.«
    » Kniefälligsten Dank im Namen des weiblichen Geschlechts.« Sie nahm einen Schluck Wein. Die Frauen am anderen Tisch lachten wieder, und eine rief einem Kellner zu, er solle noch eine Flasche Sekt bringen. » Nachdem das gesagt ist, ja, ich verstehe, was du meinst«, sagte Jenny. Sie stellte ihr Glas hin und zog das Buch aus der Tragetasche. » Also, hier ist die Neuigkeit. Das hier ist nicht von Ainsley Gosling geschrieben worden. Er muss es jedoch gelesen haben.«
    Nightingale zog die eine Augenbraue hoch. » Und wer hat es dann geschrieben?«
    » Soweit ich sagen kann, ist es das Tagebuch eines Mannes namens Sebastian Mitchell. Der erste Eintrag stammt aus dem Jahr 1946. Der letzte liegt zwölf Jahre zurück. Am Rand sind Notizen, die nicht in Spiegelschrift und nicht in Latein geschrieben sind, die werden also wohl von Gosling selbst stammen.« Sie legte das Buch auf den Tisch. » Ich habe bisher erst Teile davon gelesen– es wird eine Ewigkeit dauern, das ganze Buch durchzuarbeiten. Mein Latein ist eingerostet, und es ist anstrengend, den

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