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Hoellennacht

Hoellennacht

Titel: Hoellennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Leather
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direkt in die Augen gesehen. Ihre Stimme war ausdruckslos und kalt gewesen, die Stimme von etwas, das nicht richtig lebendig war. Aber wie alle anderen, die ihm erklärt hatten, dass der Teufel ihn holen werde, schien ihr gar nicht bewusst zu sein, dass sie das gesagt hatte.
    » Sieg oder Platz, junger Mann?«, wiederholte die Kassiererin. » Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
    » Sieg«, antwortete Nightingale. Hatte er sich das nur eingebildet? Spielte sein Unterbewusstsein ihm einen Streich? Es hatte mit den Träumen angefangen, in denen Simon Underwood zu Tode stürzte, aber vielleicht hatte sein Unterbewusstsein jetzt entschieden, dass die Träume nicht reichten und dass es ihn auch im Wachzustand quälen wollte. Oder vielleicht wurde er verrückt.
    Die Kassiererin reichte ihm seinen Wettschein, und Nightingale ging weg.
    » Jack, alles in Ordnung mit dir?«, rief Hoyle.
    Nightingale griff nach seinen Zigaretten. Nein, mit ihm war gar nichts in Ordnung. Ganz im Gegenteil. Er zündete sich eine Zigarette an, hatte aber erst einen Zug geraucht, da klopfte ihm schon ein Ordner im Blazer auf die Schulter und erklärte ihm, dass Rauchen verboten sei. » Aber wir sind doch im Freien«, sagte Nightingale und zeigte zum Himmel hinauf.
    » Hier ist ein Arbeitsplatz«, erklärte der Mann. » Das sind Arbeitsschutzbestimmungen.«
    » Das ist doch verdammt nochmal Unsinn«, schimpfte Nightingale.
    » So ist das Gesetz«, gab der Mann zurück. Er hatte kurzes, drahtiges Haar, dessen dunkler Farbton so gleichmäßig war, dass es gefärbt sein musste. Seine Wangen waren mit geplatzten Äderchen überzogen, und er sah aus wie ein ehemaliger Feldwebel, der sich nach den Tagen zurücksehnte, als er Männern, die sich nicht wehren durften, das Leben zur Hölle machen konnte. » Machen Sie keine Schwierigkeiten.«
    » Sie sagen mir jetzt nicht gleich, dass der Teufel mich holen wird, oder?«
    » Beschimpfungen habe ich nicht nötig«, sagte der Mann und hielt ein kleines Funkgerät hoch. » Ich muss einfach nur den Sicherheitsdienst rufen.«
    Nightingale warf die Zigarette zu Boden, trat sie aus und ging zur Bar.
    Er wollte erst ein Bier bestellen, überlegte es sich aber anders und bat stattdessen um einen Whisky. Der stand gerade vor ihm, als Hoyle neben ihm auftauchte. Nightingale reichte dem Barmann einen Zehnpfundschein und bestellte für Hoyle ein Glas Rotwein.
    » Was ist los, Kumpel?«, fragte Hoyle.
    » Nichts«, antwortete Nightingale. Er kippte seinen Whisky auf einmal runter, und als der Barmann mit Hoyles Wein kam, zeigte Nightingale auf sein leeres Glas und ließ es auffüllen.
    » Ach ja?«, sagte Hoyle. » Seit wann schüttest du denn Whisky wie Wasser runter?«
    » Was ist mit mir los, Robbie? Mein ganzes verdammtes Leben ist in weniger als einer Woche auf den Kopf gestellt worden. Meine Eltern sind nicht meine Eltern. Der Mann, der mein Vater war, hat behauptet, er hätte dem Teufel meine Seele verkauft. Mein Onkel hat meine Tante und sich selbst umgebracht und…« Er schüttelte den Kopf und griff nach seinem Glas.
    » Und was?«
    » Diese Botschaft– das, was mein Onkel mit Blut geschrieben hat. Die Leute sagen es ständig zu mir.«
    » Was machen sie?«
    » Ich höre immer wieder, dass jemand mir sagt, der Teufel werde mich holen.«
    » Du stehst unter enormem Stress, das ist alles. Hast du es mich sagen hören?«
    » Nein.«
    » Da bin ich ja erleichtert.« Sein Gesicht wurde ausdruckslos, und er starrte Nightingale an. » Der Teufel wird dich holen«, flüsterte er.
    » Verdammt, Robbie. So ist es nicht.«
    Hoyle grinste. » Ich versuche nur, dich aufzumuntern«, sagte er.
    » Prost, Kumpel.« Nightingale leerte sein Glas.
    » Aber jetzt mal ernsthaft, du solltest das Saufen sein lassen«, sagte Hoyle. » Du warst nie ein großer Trinker. Das ist nichts für dich.«
    » Ich kann dich unter den Tisch trinken«, entgegnete Nightingale. » Und wer spricht hier eigentlich? Du bist doch nur ein verdammter Weintrinker.«
    Hoyle griff nach seinem Glas. » Du bist einfach nur sauer, weil du dachtest, du wärest ein Nightingale, und jetzt hat sich herausgestellt, dass du ein Gosling bist«, sagte er. » Hochmut kommt vor dem Fall.«
    » Das ist überhaupt nicht komisch«, entgegnete Nightingale. » Mein ganzes Leben war eine Lüge, Robbie. Meine Eltern haben mich vom Tag meiner Geburt an belogen. Mein Onkel und meine Tante haben gelogen. Wahrscheinlich hat jeder mich belogen, den ich als Kind überhaupt gekannt

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