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Hoellennacht

Hoellennacht

Titel: Hoellennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Leather
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also brauche ich jetzt auch nicht um ihn zu trauern. Getrauert habe ich damals, als meine Eltern gestorben sind– lange sogar. Bei Gosling empfinde ich eher Verwirrung als Trauer. Ich verstehe einfach nur nicht, was ihm durch den Kopf gegangen ist, warum er meine Adoption in die Wege geleitet hat– warum er getan hat, was er getan hat.«
    Hoyle hielt den Aktenordner in seiner Hand hoch. » Vielleicht finden wir die Antwort ja in einem von denen.«
    Nightingale nickte. » Das hoffe ich«, sagte er. » Das hoffe ich wirklich.«

27
    Das Problem bei der Arbeit für Scheidungskandidaten war– wie Nightingale nur zu gut wusste–, dass der betrogene Ehegatte immer Beweise wollte. Es reichte nicht, wenn Nightingale sagte, er habe einen Mann und eine Frau ins Hotel gehen sehen, und sie seien eine Stunde dort geblieben. Der Klient wollte Fotos oder ein Video, harte Beweise, die er dem schuldigen Partner unter die Nase halten konnte. Das Problem mit Fotos war, dass gute Kameras ziemlich groß waren, und dass man für vernünftige Aufnahmen ein Teleobjektiv brauchte– Hotels, selbst billige, waren nicht davon begeistert, wenn Männer in Regenmänteln sich mit Kameras im Empfangsbereich herumdrückten.
    Nightingales grüner MGB war zu auffällig für einen Überwachungsauftrag, und die Kreditkarte der Firma war schon dicht am Limit, daher hatte er sich Jenny McLeans Audi A4 geborgt. Wieso seine Assistentin sich einen so teuren Wagen leisten konnte, wusste er nicht so recht, aber er konnte sich nicht überwinden, sie direkt zu fragen, aus Angst, sie könne seine Neugier für Neid halten. Er hatte vor dem Hotel geparkt und sich eine Diskussionssendung im Radio angehört, während er darauf wartete, dass Mrs. McBride zu ihrem heimlichen Stelldichein kam. Sie erschien mit der Präzision eines Uhrwerks an jedem zweiten und letzten Montag im Monat immer im selben Hotel. Sie fuhr mit ihrem Liebhaber im Auto her und stellte es in einem Parkhaus in der Nähe ab. Dann trug sie sich immer erst an der Rezeption ein und holte den Schlüssel zum Zimmer ab, bevor sie den Mann auf seinem Handy anrief. Nightingale hatte sie zwei Wochen zuvor beobachtet, doch Joel McBride wollte sich nicht auf sein Wort allein verlassen und bestand auf Fotobeweisen.
    Nightingale sah Mrs. McBride um die Ecke kommen und schaltete das Radio ab. Dann stieg er aus dem Audi und schloss die Autotür. Er hielt einen Aktenkoffer aus schwarzem Leder in der Hand, richtete ihn auf sie und drückte einen im Griff verborgenen Schalter. Ein Objektiv in der Kofferseite war mit einem digitalen Videorekorder im Koffer verbunden.
    Mrs. McBride sprach lächelnd ins Handy, und ihre Absätze klackerten über das Pflaster. Sie war eine attraktive Blondine Mitte dreißig, etwa eins fünfundsechzig groß und mit schönen Beinen. Sie war so in ihr Telefongespräch vertieft, dass sie Nightingale im Vorbeigehen gar nicht beachtete. Die Aktentasche zeichnete nicht nur Bilder, sondern auch Geräusche auf, und er war nahe genug, um zu hören, wie das Wort » Darling« fiel und sie ihrem Gesprächspartner sagte, sie würden sich gleich sehen.
    Sie ging durch die Flügeltür in den Empfangsbereich, und Nightingale folgte ihr. Als sie zur Rezeption trat, setzte er sich auf eine Couch und hielt die Linse weiter auf sie gerichtet. Sie überreichte ihre Kreditkarte, füllte das Anmeldeformular aus, nahm dann ihren Zimmerschlüssel und ging zum Lift. Nightingale stand auf und folgte ihr langsam, wobei er so tat, als unterhielte er sich am Handy. Er wartete, bis die Lifttüren sich fast hinter ihr geschlossen hatten, bevor er eintrat. » Ich betrete gerade den Lift«, sagte er ins Handy. » Ich rufe dich zurück.« Er steckte das Handy ein und schaute auf die Taste, die sie gedrückt hatte. » Selber Stock«, sagte er. Er lächelte, doch ihm war nicht nach Lächeln zumute. Er hasste Lifts aus tiefstem Herzen, doch manchmal war es eben so, dass ihm keine andere Wahl blieb, als sein Schicksal den Seilen und Flaschenzügen anzuvertrauen, die ihn in der Luft hielten.
    Sie warf ihm ein uninteressiertes Lächeln zu und beobachtete, wie die Stockwerksnummern kurz aufblinkten und wieder erloschen. Als sie in ihrem Geschoss angekommen waren, ging sie rasch den Korridor hinunter. Nightingale folgte ihr in angemessenem Abstand. Sie hatte ein Zimmer in der Mitte des Korridors, und so ging er an ihr vorbei und drehte den Koffer dabei so, dass sie immer im Sichtwinkel der Kamera blieb. Er hörte, wie sie die

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