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Hoellennacht

Hoellennacht

Titel: Hoellennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Leather
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angesehen wurde.«
    » Wie lange wird sie schon in öffentlichen Einrichtungen betreut?«, fragte Nightingale.
    » Nun, wie schon gesagt, bei uns ist sie seit etwa zehn Jahren, und in der Psychiatrie war sie sechs Jahre, aber davor sind ihre Unterlagen lückenhaft. Anscheinend war in dem Heim, in dem sie vor ihrer Einlieferung in die Psychiatrie gelebt hatte, ein Feuer ausgebrochen.«
    » Sie hat also möglicherweise ihr ganzes Leben in öffentlichen Institutionen verbracht«, sagte Nightingale.
    » Das ist durchaus möglich«, antwortete Mrs. Fraser. Sie stand auf. » Ich denke, Sie werden es verstehen, sobald Sie sie gesehen haben.«
    Sie führte Nightingale aus dem Büro und durch einen Korridor zu einem Treppenhaus. Sie gingen in den dritten Stock hinauf, wo ein Pfleger an einem Schreibtisch saß und den Daily Express las. Er nickte Mrs. Fraser zu.
    » Alles in Ordnung, Darren?«, fragte sie.
    » Alles bestens, Mrs. Fraser«, antwortete er. Australischer Akzent. Er war Ende zwanzig, deutlich über eins achtzig groß, blondes, gewelltes Haar, eine halb verblasste Bräune und einen kleinen Diamantohrring im rechten Ohrläppchen.
    » Wir sind hier, um Miss Keeley zu sehen. Ist mit ihr alles in Ordnung?«
    Der Mann lächelte. » Sie ist immer gleich«, sagte er. » Ich wünschte, hier wären alle so fügsam.«
    Mrs. Fraser führte Nightingale durch den Korridor und blieb vor einer Tür stehen, an der ein durchsichtiges Kunststoffkästchen mit einer weißen Karte darin angebracht war. Sie nahm die Karte heraus, sah sie an, legte sie wieder zurück und klopfte an die Tür. Sie machte sie auf. » Ich bin es nur, Miss Keeley«, sagte sie. » Ich habe Besuch für Sie.«
    Als sie die Tür weit öffnete, erblickte Nightingale ein ordentlich gemachtes Krankenhausbett und einen Nachttisch mit einem Wasserglas und einem Taschenbuch darauf. Es war die Bibel, wie er sah, und sie war eifrig benutzt worden.
    » Das hier ist Jack Nightingale«, sagte Mrs. Fraser. » Er ist hier, um ein bisschen mit Ihnen zu plaudern. Das ist doch schön, oder?«
    Die Frau saß in einem Sessel. Ihr Haar war grau und zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Sie trug ein formloses, blassblaues Kleid und flauschige, rosafarbene Pantoffeln. Ihre Hände lagen gefaltet im Schoß, und sie starrte aus dem Fenster, die Lippen gespitzt, als wolle sie einen Kuss in die Luft blasen.
    Nightingale trat in den Raum, und Mrs. Fraser schloss die Tür. » Er wollte einfach nur mal bei Ihnen vorbeischauen, und er hat Ihnen Blumen mitgebracht«, sagte Mrs. Fraser.
    Nightingale streckte sie ihr hin, aber die Frau reagierte nicht. Ihr Gesicht war faltig, unter den Augen hatte sie dunkle Ringe, und ihre Hände waren runzlig und verkrümmt wie Klauen. » Sie ist erst fünfzig, oder?«, fragte Nightingale.
    » Ja«, antwortete Mrs. Fraser.
    » Aber sie sieht so… so alt aus.«
    » Die Medikamente können leider diese Wirkung haben.«
    » Medikamente?«
    » Sie hat ihr ganzes Leben lang Beruhigungsmittel, Antidepressiva und Medikamente gegen Schizophrenie eingenommen.«
    » Aber derzeit nimmt sie nichts dergleichen?«
    » Sie bekommt immer noch Antidepressiva, und sie hat Diabetes entwickelt, daher braucht sie regelmäßige Insulininjektionen. Außerdem hat sie zu hohe Cholesterinwerte, und sie nimmt Medikamente gegen zu niedrigen Blutdruck.« Sie tätschelte den Arm der Frau. » Ich lasse Sie jetzt eine Weile mit Jack allein, Miss Keeley«, sagte sie. Sie lächelte Nightingale an. » Ich hatte Ihnen ja gesagt, dass Sie nicht zu viel erwarten sollen. Um sechzehn Uhr bekommt sie eine Mahlzeit aufs Zimmer, und bis dahin können Sie gerne bleiben. Sagen Sie einfach nur Darren Bescheid, wenn Sie gehen.«
    » Danke«, sagte Nightingale. Mrs. Fraser ging hinaus, und er setzte sich aufs Bett, die Blumen neben sich, und sah die Frau an. Sie blickte weiter aus dem Fenster auf den Teppich-Discounter auf der anderen Seite der Straße. » Weißt du, wer ich bin?«, fragte er leise.
    Die Frau ließ nicht erkennen, dass sie ihn gehört hatte.
    » Ich heiße Jack– Jack Nightingale.« Er lächelte. » Aber wahrscheinlich wird mein Name dir nichts sagen.«
    Sie starrte weiter nach draußen, als wäre sie allein.
    » Rebecca, hast du vor dreiunddreißig Jahren ein Kind bekommen? Falls ja, bin ich dein Sohn. Ich bin das Baby, das du weggegeben hast.« Nightingale lächelte wieder, aber diesmal war es eher eine Grimasse. » Oder verkauft hast. Hast du mich verkauft, Rebecca? Hast du mich für

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