Hoellenpforte
dagegen starrte ihren Gastgeber mit offenem Mund an.
»Ich sehe, dass Sie schockiert sind«, bemerkte Shan-tung. »Und bevor Sie mir wieder eine ihrer geistlosen Fragen stellen, Mr Cole, werde ich Ihnen antworten. Ja, ich bin ein Verbrecher. Darüber hinaus bin ich auch noch Shan chu, der Herr des Berges. Das bedeutet, dass ich der Anführer meiner eigenen Triade bin. Ich kann Ihnen nicht genau sagen, wie viele Leute ich umbringen musste, um dorthin zu kommen, wo ich heute bin, aber es dürften ungefähr fünfundzwanzig gewesen sein. Ich weiß, dass ich in neun Ländern gesucht werde, darunter in Großbritannien und den Vereinigten Staaten, und ich wäre wohl schon längst verhaftet worden, wenn ich nicht den richtigen Leuten sehr viel Geld bezahlt hätte, damit sie mich in Ruhe lassen.
Sie fragen sich jetzt, ob Sie an meinem Tisch sitzen und meine Speisen essen sollten. Sie fragen sich, was mich veranlasst, Ihnen bei Ihrem Kampf gegen die Alten zu helfen. Sie denken vielleicht, dass ich eigentlich auf deren Seite stehen müsste. Aber da irren Sie sich.
Bis vor Kurzem habe ich die gesamte Kriminalität in Hongkong kontrolliert. Ich habe zum Beispiel Heroinlabore in Kaulun und den Neuen Territorien. Ich besitze illegale Kasinos und Wettbüros auf der ganzen Insel. Einwanderer aus China haben 5000 Dollar pro Kopf bezahlt, um sich von mir illegal über die Grenze schmuggeln zu lassen. Das Auftauchen der Alten hat alles verändert. Sie sind an Profit nicht interessiert. Sie wollen keine Geschäfte machen. Sie wollen nur alles um sie herum zerstören – und das schließt die Triaden mit ein. Sie sind ebenso meine Feinde wie die von jedem anderen, der einzige Unterschied ist, dass ich über die Mittel verfüge, mich zu wehren. Und genau das habe ich getan. Das Ganze entbehrt nicht einer gewissen Ironie, finden Sie nicht auch? Ich bin zweifellos ein böser Mensch. Aber jetzt, wo sich mir etwas noch Böseres in den Weg gestellt hat, bin ich gezwungen, Gutes zu tun.
Und so habe ich all meine Kräfte in Hongkong darauf verwandt, den Widerstand zu organisieren. Ich habe Gebäude, Leute und Waffen, die natürlich gegen Kreaturen, die aus Fliegen bestehen, ziemlich nutzlos sind. Aber das Wichtigste, was ich besitze, ist meine Entschlossenheit. Ich werde mich den Alten nicht geschlagen geben. Sie können die Welt zerstören. Aber mich werden sie nicht zerstören.«
»Es wundert mich, dass sie Sie nicht gefragt haben, ob Sie für sie arbeiten wollen«, bemerkte Richard.
»Wie der Zufall so spielt, haben sie mir tatsächlich nahegelegt, ihnen zu dienen. Die Nightrise Corporation ist vor genau einem Jahr an mich herangetreten. Aber der Herr des Berges dient niemandem. Ich erwähnte etwa fünfundzwanzig Tote. Der Mann, der mir diese Frage gestellt hat, war die Nummer fünfundzwanzig.«
»Darf ich etwas fragen?«, sagte Matt.
»Du hast meine Erlaubnis«, antwortete Han Shan-tung. »Doch ich sollte dich warnen, dass ich auch dir eine Frage stellen werde und sehr hoffe, dass du sie richtig beantworten kannst.«
Es gefiel Matt gar nicht, wie sich das anhörte, aber er sprach trotzdem weiter. »Woher wissen Sie von Scarlett?«, fragte er. »Und warum nennen Sie sie Lin Mo?«
»Die Weiße-Lotus-Gesellschaft wusste schon immer von den Torhütern. Du darfst nicht vergessen, dass wir in unserer Anfangszeit vor fast zweitausend Jahren im Grunde ein religiöser Orden waren. Das sind wir noch heute und es bedeutet, dass wir viele Geheimnisse bewahren – heilige Texte und alte Legenden. Auch nachdem wir begonnen hatten, uns ausschließlich dem Verbrechen zu widmen, sind wir uns treu geblieben. Die Geheimnisse werden von einer Generation zur nächsten weitergereicht. Und ich glaube, wir haben immer gewusst, dass wir eines Tages zu unseren Ursprüngen zurückkehren und wieder das Schwert in die Hand nehmen würden.
Was den zweiten Teil deiner Frage nach Lin Mo betrifft, bin ich noch nicht bereit, dir zu antworten. Ich muss mich erst davon überzeugen, dass ich dir trauen kann.
Ich kann dir allerdings sagen, dass sie in einem Ort namens Meizhou geboren wurde. Wir wussten immer, dass die Alten zurückkehren und nach ihr suchen würden, weil sie eine Torhüterin ist. Aus diesem Grund haben wir dafür gesorgt, dass sie adoptiert und in den Westen gebracht wurde. Wir wollten, dass sie so weit weg von hier lebt wie möglich. Wir hatten gehofft, auf diese Weise für ihre Sicherheit zu sorgen.«
»Das hat nicht funktioniert.«
Shan-tung
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