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Hoellenpforte

Hoellenpforte

Titel: Hoellenpforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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Richard hielt ihn auf. »Vergiss es, Matt!«, sagte er. »Du musst das nicht tun. Es gibt genügend andere Wege, nach Hongkong zu kommen – auch ohne die Hilfe dieses Irren.«
    »Wir können nicht allein gehen«, sagte Matt. »Einer von uns muss es versuchen.«
    »Du wirst dich in Stücke schneiden.«
    »Ich verspreche, dass ich nach dem ersten Finger aufhöre.« Er ging zur Leiter. Die Hoffnung, dass sie vielleicht nicht so gefährlich war, wie sie aussah, schwand schlagartig. Die Schwerter wurden durch Drähte unverrückbar an ihrem Platz gehalten. Die Klingen zeigten zueinander, sodass die Griffe und die Spitzen sich abwechselten. Die Schwerter waren scharf wie Rasiermesser. Er legte eine Fingerspitze auf eine der Klingen und hätte sich schon dabei fast geschnitten. Hätte er ein Blatt Papier auf die Klinge fallen lassen, wäre es in zwei Teile zerteilt worden.
    Konnte er das schaffen? Sein Instinkt sagte ihm, dass er es nicht konnte, dass es unmöglich war, dass er sich grausam verstümmeln würde. Er schloss die Augen. Gab es denn keinen anderen Weg? Brauchten sie wirklich die Hilfe dieses Mannes? Hongkong war nur fünfundsiebzig Kilometer weit weg. Sie konnten das Tragflächenboot nehmen und es darauf ankommen lassen. Warum sollten sie sich mit Verbrechern einlassen?
    Doch im Grunde wusste er genau, dass er sich etwas vormachte. Scarlett war in Gefahr. Wenn er allein nach Hongkong hätte gehen wollen, hätte er das schon vor einer Woche tun können. Es gab keinen anderen Weg. Er öffnete die Augen. »Also gut«, sagte er.
    »Zieh deine Schuhe aus!«, befahl Shan-tung.
    »Klar«, murmelte Matt. »Wäre ja auch schade um das gute Leder.« Insgeheim fragte er sich, ob er jemals wieder Schuhe tragen würde. Er zog sie aus und die Socken gleich mit, denn darauf kam es auch nicht mehr an. Der Holzfußboden fühlte sich kühl an. Er krümmte die Zehen.
    »Matt…« Richard unternahm einen letzten Versuch.
    »Es ist in Ordnung, Richard.«
    Matt sah ihn nicht an. Er sah keinen von ihnen an. Er wusste, dass es nur einen Weg gab, es zu schaffen. Er musste sich vollständig auf diese Aufgabe konzentrieren. Neunzehn Stufen. Im Fernsehen hatte er einmal Leute gesehen, die über heiße Kohlen gegangen waren. Und in Indien machten Fakire die unglaublichsten Sachen mit ihren Körpern. Matt dachte wieder an das, was er in der Nazca-Wüste getan hatte. Da hatte er eine auf ihn abgefeuerte Kugel in der Luft umgedreht und auf den Schützen gerichtet. Gedankenkontrolle. Nur darum ging es hier.
    Matt streckte die Hand aus und griff vorsichtig nach einem der Schwerter. Er spürte, wie ihm die Klinge in die Hand schnitt. Es tat fürchterlich weh. Blut quoll aus seiner Handfläche.
    »Das reicht!«, rief Richard. »Das kannst du nicht schaffen.«
    »Doch. Kann ich.«
    Matt biss die Zähne zusammen. Er wusste, welchen Fehler er gemacht hatte. Er hatte zu sehr daran gedacht, wie unmöglich es war, diese Aufgabe zu lösen. Wenn er Dinge bewegte, ohne sie anzufassen, kam ihm nie der Gedanke, dass es vielleicht nicht klappen würde. So funktionierte seine Kraft. Sie war ein Teil von ihm und er konnte sie jederzeit einsetzen. Diese Aufgabe war zwar etwas anderes, aber das Prinzip war dasselbe. Neunzehn Stufen. Er würde sich nicht noch einmal verletzen. Er war ein Torhüter. Er hatte nichts zu befürchten.
    Er vergaß Richard. Er vergaß, wo er war. Die Galerie über ihm war alles, was noch Bedeutung hatte. Er ließ die Schwerter vor seinen Augen verschwimmen. Sie waren nicht mehr da. Er griff mit einer Hand zu. Gleichzeitig hob er den linken Fuß und stellte die nackte Sohle auf die erste Klinge. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
    Richard hatte in seiner Zeit mit Matt einige unvergessliche Dinge gesehen, aber das war das Unglaublichste von allem. Er sah zu, wie Matt anfing zu klettern, ein Schwert nach dem anderen, und wie er sein gesamtes Gewicht auf Schneiden verlagerte, die rasiermesserscharf waren. Er schien sich in eine Art Trance versetzt zu haben und bewegte sich so gleichmäßig voran, als würde er schweben. Inzwischen war er schon auf halber Höhe und hatte sich nicht einmal geschnitten. Neben ihm starrte auch Jamie ungläubig nach oben. Sogar Han Shan-tung schien beeindruckt.
    Matt kam oben an, stieg von der Leiter und stellte sich auf die Galerie, die in den Raum ragte wie ein Balkon. Niemand sagte ein Wort. Shan-tung eilte an die Seite des Raumes und nahm eine Treppe, die ebenfalls nach oben führte. Matt wartete auf ihn. Er

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