Hoellenpforte
SCHWERTLEITER
Matt erhob sich und folgte Han Shan-tung. Richard und Jamie waren hinter ihm. Die Tür führte in einen langen Flur, der mit poliertem Holz getäfelt, ansonsten aber vollkommen schmucklos war. Am anderen Ende befand sich eine weitere Tür.
Sie landeten in einem großen, quadratischen Raum, der nicht zum Rest des Hauses zu passen schien. Er erinnerte Matt an eine Kapelle oder vielleicht einen Musiksaal, in dem fünfzig oder sechzig Leute Platz fanden. Auch hier waren die Wände ohne jeden Schmuck und mit dem gleichen Holz getäfelt wie der Flur. An drei Seiten befanden sich Bankreihen. Die vierte war von einem dunkelroten Vorhang verdeckt, hinter dem vielleicht eine Bühne lag. Hoch über dem Vorhang befand sich eine Galerie, aber von unten war nicht zu erkennen, wozu sie diente.
»Ihr befindet euch im Inneren einer Triaden-Loge«, erklärte ihnen Mr Shan-tung. »Und ihr solltet euch geehrt fühlen. Eigentlich haben hier nur Mitglieder der Triade und Anwärter Zutritt. Außenstehende würden normalerweise sofort getötet. Wir treffen uns hier am fünfundzwanzigsten Tag jedes chinesischen Monats. Es gibt einen separaten Eingang von der Straße. Vielleicht interessiert es euch, dass die Aufnahmezeremonie sechs Stunden dauert. Jeder Anwärter muss dreihundertdreiunddreißig Fragen über die Gesellschaft beantworten. Er lernt die geheimen Handschläge und Erkennungszeichen. Dann nehmen wir eine Locke seines Haares und er unterschreibt mit seinem Blut.«
»Eigentlich hatte ich nicht vor, dem Verein beizutreten«, murmelte Richard.
Zum Glück schien Shan-tung ihn nicht gehört zu haben. »Ich erwähne diese Rituale, um euch daran zu erinnern, dass die Weiße-Lotus-Gesellschaft sehr alt ist«, fuhr er fort. »Natürlich hat sich mittlerweile einiges geändert. Vor neunhundert Jahren hat jeder Anwärter das mit Wein vermischte Blut eines anderen getrunken. Und noch ein anderer Teil der Zeremonie wird heute nicht mehr praktiziert. Als China noch unter der Knute von Kublai Khan stand, soll die Gesellschaft nach einem Anführer gesucht haben, einem, der das Land befreien würde. Dieser Mann sollte der buddhistische Messias sein und er würde sich auf eine bestimmte Weise zu erkennen geben…«
Er durchquerte den Raum und zog an einer Kordel, die daraufhin den Vorhang öffnete. Jamie schnaufte erschrocken auf. Matt trat vor. Im ersten Moment hielt er es für eine merkwürdige Leiter, die zur Galerie hinaufführte, aber dann erkannte er, dass sie aus antiken Schwertern bestand, die alle auf Hochglanz poliert und so in einem Drahtrahmen befestigt waren, dass die Schneiden nach oben zeigten. Theoretisch müsste es möglich sein, daran hochzusteigen. Aber er bezweifelte, dass es wirklich ging. Sobald man sein Gewicht auf eines der Schwerter verlagerte, würde man sich den Fuß zerschneiden. Und selbst wenn man federleicht wäre, wäre der Aufstieg doch eine Qual. Es war ein weiter Weg bis nach oben. Matt zählte neunzehn Stufen. Neunzehn Gelegenheiten, sich in Stücke zu schneiden.
»In meiner Zeit als Herr des Berges haben drei Anwärter behauptet, der buddhistische Messias zu sein«, berichtete Shantung. »Sie haben um meine Erlaubnis gebeten, die Leiter hinaufzusteigen, und ich habe sie ihnen natürlich mit Freuden erteilt. Ihre Versuche zu beobachten, war eine faszinierende Erfahrung. Einer hat es fast bis nach oben geschafft, bevor er in Ohnmacht fiel. Leider hat er sich beim Absturz das Genick gebrochen.«
»Was ist mit den beiden anderen passiert?«, wollte Matt wissen.
»Einer hat sich auf der ersten Stufe alle Finger der linken Hand abgeschnitten und beschlossen, den Versuch abzubrechen. Der andere ist verblutet.«
»Das ist doch Irrsinn!« Richard konnte sich nicht länger beherrschen. »Matt behauptet doch gar nicht, Ihr buddhistischer Messias zu sein, oder wie immer Sie ihn nennen.«
»Er behauptet, einer der Torhüter zu sein. Wenn er der ist, für den er sich ausgibt, hat er nichts zu befürchten.«
»Und wenn wir Nein sagen? Wenn wir uns weigern, Ihren kleinen Partygag mitzumachen?«
»Dann werde ich nicht helfen. Sie werden Macau verlassen. Und das Mädchen wird sterben, qualvoll und allein.« Richard fluchte halblaut. Jamie trat vor und stellte sich neben Matt. »Ich kann es versuchen«, sagte er leise.
»Danke, Jamie«, antwortete Matt. »Aber ich habe uns hierhergebracht. Ich glaube, das ist etwas, das ich machen muss…«
Er ging einen Schritt auf die Leiter zu, aber
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