Hoellenpforte
aufgetaucht. Sie trug einen alten Morgenmantel. Matt sah, wie sie den Waffenschrank aufschloss und ein Gewehr herausnahm. Bisher hatte niemand ein Wort gesagt.
»Was ist los?«, fragte Jamie.
»Da ist jemand im Garten.« Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf den Computer. »Es sieht aus, als wäre es nur einer, aber sicher ist das nicht.«
Richard warf einen prüfenden Blick auf den Bildschirm. »Ich würde sagen, er will nicht gesehen werden«, murmelte er. »Das kann er vergessen.«
Er beugte sich vor und legte einen Schalter um. Dies war ein weiterer Teil des Sicherheitssystems. Der gesamte Garten erstrahlte plötzlich im Schein von so grellen Bogenlampen, dass es aussah, als wären Magnesiumfackeln entzündet worden. Matt blinzelte. Es war irgendwie schockierend, so spät am Abend diese leuchtenden Farben und den grünen Rasen zu sehen.
Mitten auf dem Rasen stand ein Mann, gefangen vom gleißenden Licht. Er trug ein Leinenjackett, Jeans und ein bis zum Hals zugeknöpftes Polohemd. An seiner Schulter hing ein Segeltuchbeutel. Als die Lichter aufgeflammt waren, war er erstarrt und stand jetzt mit erhobenen Händen da, um seine Augen vor dem Licht zu schützen. Er schien allein zu sein und er trug keine sichtbaren Waffen. Richard öffnete die Terrassentür. Die Professorin ging hinaus.
»Bleiben Sie, wo Sie sind!«, rief sie. »Ich habe ein Gewehr auf Sie gerichtet.«
»Das ist nicht nötig!«, rief der Mann auf Englisch, aber mit starkem Akzent. »Ich bin ein Freund.«
»Was wollen Sie?«
»Ich will mit dem Jungen sprechen. Matthew Freeman. Ist er hier?«
Richard warf Matt einen kurzen Blick zu. Matt trat durch die offene Terrassentür, achtete aber darauf, nicht zu weit hinauszugehen. Professorin Chambers hob das Gewehr, um ihm Deckung zu geben. »Wie heißen Sie?«, rief er.
»Ramon.« Der Mann hielt schützend die Hände über die Augen und versuchte, ihn zu erkennen.
»Woher kommen Sie?«
»Aus Lima.« Der Mann zögerte, nicht sicher, was er tun sollte, ob er aufs Haus zugehen sollte oder nicht. »Bitte sag… Bist du Matthew? Ich bin hergekommen, weil ich dir helfen will.«
Pedro war neben Matt aufgetaucht. »Warum kommt er dann mitten in der Nacht wie ein Dieb?«, murmelte er. Matt nickte. Er wusste, dass Pedro der Misstrauischste von ihnen allen war. Vielleicht hing das mit dem Leben zusammen, das er früher geführt hatte.
Richard war der gleichen Meinung. »Sag ihm, dass er morgen früh wiederkommen soll«, schlug er vor.
Aber Matt war noch nicht überzeugt. »Was wollen Sie?«, rief er.
Der Mann hatte sich nicht bewegt. »Das zeige ich dir, wenn du mich ins Haus lässt«, antwortete er. Er sah sich um. »Bitte… Hier draußen ist es nicht sicher für mich.«
Matt musste eine Entscheidung treffen. Das geschah in letzter Zeit immer öfter. Obwohl es das Haus der Professorin war und sie und Richard viel älter waren als er, schien es doch immer er zu sein, der das Sagen hatte.
Hastig ging er die Möglichkeiten durch. Sie alle würden am nächsten Vormittag um zehn das Haus verlassen, nach Lima fahren und den Flieger nach London nehmen. Es war wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für ein Treffen mit einem vollkommen Fremden. Andererseits waren sie zu sechst und er war allein. Die Professorin war bewaffnet. Der Mann wirkte nicht bedrohlich.
»Also gut!«, rief Matt. »Kommen Sie rein.«
Der Mann ging auf das Haus zu. Zur selben Zeit steuerte Richard den Waffenschrank an und griff hinein. Er nahm eine Pistole heraus, denn er wollte kein Risiko eingehen.
Der Mann betrat das Wohnzimmer und die Professorin folgte ihm mit dem Gewehr. Jetzt erkannte Matt, dass er ein paar Jahre älter als Richard war. Die schwarzen Haare und die dunkle Haut verrieten ihm, dass er Peruaner sein musste. Offenbar war er schon eine ganze Weile unterwegs. Er war schmutzig und unrasiert und seine zerknitterten Kleider hatten Schweißflecken unter den Achseln. Er hatte einen gehetzten Ausdruck in den Augen. Sehr bedrohlich sah er nicht aus.
Als Erstes holte er eine Brille aus der Brusttasche seines Jacketts und setzte sie auf. Jetzt sah er aus wie ein Lehrer oder vielleicht ein Buchhalter. Er hatte eine billige Uhr am Handgelenk, seine Schuhe waren zerkratzt und abgetragen. Er sah Matt direkt an. »Bist du Matthew Freeman?«, fragte er und blinzelte. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich hier finde.«
»Setzen Sie sich«, sagte Richard.
Der Mann setzte sich mit dem Rücken zur offenen Terrassentür auf die
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