Hoellenpforte
bekreuzigte sich und küsste seinen Daumen. »Ich bin nur hier, weil es das Richtige ist. Weil ich helfen will.«
Scott konzentrierte sich. Das war seine Kraft, die Fähigkeit, mit der er bei den Auftritten in Reno monatelang sein Publikum fasziniert hatte. Die Zuschauer hatten es für einen Trick gehalten, aber es war echt. Er konnte Gedanken lesen.
Leider war das nicht so einfach, wie es sich anhörte. Es war nicht, als würde man nur einen Schalter umlegen. Scott und Jamie hatten eine Verbindung zueinander. Wenn sie im selben Raum oder nicht weit voneinander entfernt waren, konnten sie durch Gedankenübertragung miteinander reden. Aber bei anderen Leuten, Fremden wie Ramon, war das, was sie sahen, konfus und chaotisch. Im Gehirn eines Menschen gab es nicht einfach nur Schwarz und Weiß.
Es verging vielleicht eine Minute. Dann nickte Scott. »Er sagt die Wahrheit«, verkündete er.
»Ich schwöre…« Ramon wusste, dass sie ihn irgendeinem Test unterzogen hatten. Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus. »Es ist mir egal, wenn ihr mir nicht traut. Ihr könnt das Tagebuch haben. Ich gehe. Ich habe keinen Grund mehr, hier zu sein.«
»Sie sagten, draußen wäre es für Sie nicht sicher«, sagte Richard. »Sind Sie verfolgt worden?«
Ramon schüttelte den Kopf und schluckte nervös. »Ich glaube nicht. Nachdem ich das Tagebuch genommen hatte, habe ich mich in Lima versteckt. Ich wollte sehen, ob die Polizei kommt. Als nichts passiert ist, habe ich einen Touristenbus nach Paracas genommen, weil ich dachte, dass ich dann weniger auffalle. Inzwischen werden sie aber wissen, dass das Tagebuch verschwunden ist. Und dass ich es genommen habe. Auch wenn Salamanda nicht mehr da ist, gibt es Leute in seiner Organisation, die mit dem weitermachen wollen, was er begonnen hat.«
»Und wohin wollen Sie jetzt gehen?«, fragte Joanna Chambers. »Haben Sie ein gutes Versteck?«
»Ich hatte gehofft – «, begann Ramon. Es erklang ein merkwürdiges Geräusch, eine Art Pfeifen in der Luft, gefolgt von einem reißenden Laut. Er sah an sich hinunter. Etwas ragte aus seinem Hemd. Verblüfft berührte er es und versuchte dann, es herauszuziehen. Es rührte sich nicht, und als er es losließ, war seine Hand voller Blut.
Sie alle hatten das Geräusch gehört, aber nicht begriffen, was es war. Ein Zaunpfosten. Er war mit ungeheurer Kraft aus der Dunkelheit durch die offene Terrassentür ins Zimmer geworfen worden. Er musste mehr als fünfzig Meter geflogen sein, bevor das spitze Ende die Rückenlehne der Couch traf, sich durch Leder und Polsterung bohrte und schließlich den Mann aufspießte, der dort saß. Ramons Augen weiteten sich. Er versuchte zu sprechen. Dann sackte er in sich zusammen. Der Zaunpfahl hinderte seinen Leichnam am Fallen.
Der Alarm war noch ausgeschaltet. Der Radarschirm war leer. Die Professorin sprang auf und legte den Schalter für die Außenbeleuchtung um. Es tat sich nichts.
Im Garten bewegte sich etwas. Figuren pirschten voran, gehüllt in schmutzige, zerrissene Lumpen, die von ihnen herunterhingen, als wären sie halb verrottet. Matt konnte sie in dem Licht, das aus dem Zimmer nach draußen fiel, gerade eben erkennen. Es war plötzlich sehr kalt, deshalb wusste er sofort, dass hier dunkle Mächte am Werk waren. Was immer da auf sie zukam, war nicht menschlich.
Sie kamen, um das Tagebuch zu holen.
Langsam und entschlossen rückten sie vor.
NÄCHTLICHER ANGRIFF
Es waren mehr als ein Dutzend albtraumhafte Figuren, die über den Rasen schlurften. Woher kamen sie? Matt hatte den Verdacht, dass sie aus den Gräbern des örtlichen Friedhofs gekrochen waren. Sie hatten etwas Leichenhaftes an sich. Das Licht aus dem Zimmer fiel auf ein Gesicht und er sah glänzende Knochen, eine leere Augenhöhle und getrocknetes Blut, das eine Kopfseite und den Hals bedeckte. Jetzt wusste er es genau. Sie konnten diese Kreaturen nicht töten. Sie waren schon tot.
Als wollte sie ihm das Gegenteil beweisen, trat die Professorin vor und schoss auf die Gestalt, die ihnen am nächsten war. Matt sah, wie eine Riesenladung Blut aus ihrem Hinterkopf spritzte. Sie kippte mit dem Gesicht nach vorn auf den Rasen und blieb zuckend liegen. Man konnte sie also doch aufhalten! Joanna Chambers gab einen weiteren Schuss ab und traf eines der Wesen in die Schulter. Die Kreatur zuckte, als wollte sie die Kugel mit einem Schulterzucken abtun. Blut quoll über das, was von ihrem Hemd übrig war. Aber sie kam weiter auf sie zu. Sie schien
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