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Hoellenpforte

Hoellenpforte

Titel: Hoellenpforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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Scarlett. Er hat viel zu tun.«
    »Warum kann ich ihn nicht anrufen?«
    »Das geht nicht. In China ist das nicht so einfach.« Sie schaltete die Spülmaschine ein. »Wohin möchtest du heute gehen?«
    Das war der Moment, auf den Scarlett gewartet hatte. Sie zuckte mit den Achseln. »Ich weiß nicht«, sagte sie.
    »Wir könnten nach Stanley Village fahren. Es liegt am Strand und es gibt dort ein paar hübsche Verkaufsstände.«
    Scarlett tat so, als würde sie darüber nachdenken. »Eigentlich«, sagte sie, »würde ich für meine Freundin Amanda gern etwas aus Jade kaufen.«
    Mrs Cheng nickte. »Jade bekommt man in der Hollywood Road. Da ist es allerdings ziemlich teuer.«
    »Können wir nicht auf einen Markt gehen?«
    »Es gibt einen Jademarkt in Kaulun…«
    Das war genau das, was Scarlett hören wollte. Sie hatte das ganze Kapitel im Reiseführer gelesen und wusste, dass der berühmteste Jademarkt von Hongkong ganz in der Nähe des Tempels war. Und wenn sie den Markt besuchten, lag es schließlich auch nahe, sich den Tempel anzusehen. So würde sie nach Tin Hau kommen, ohne dass Mrs Cheng Lunte roch.
    Jetzt musste sie nur noch dafür sorgen, dass sie rechtzeitig dort ankamen, und so behauptete sie vormittags, etwas für die Schule tun zu müssen. Sie verließen Wisdom Court erst um zwei Uhr. Scarlett wäre lieber mit der U-Bahn gefahren, aber Mrs Cheng bestand wie üblich darauf, dass Karl sie chauffierte. Und das bedeutete, dass er den ganzen Nachmittag bei ihnen sein würde. Die beiden ließen Scarlett wirklich keine Sekunde aus den Augen.
    Der Jademarkt lag in einer schäbigen Ecke von Kaulun, in der Nähe der Nathan Road, einer langen Touristenstraße, die als »Goldene Meile« bekannt war. Echtes Gold war in den heruntergekommenen Läden mit den billigen Elektronikartikeln, nachgemachten Designeruhren und preisreduzierten Anzügen allerdings nicht zu finden. Der Markt befand sich in einem flachen Lagerhaus unter einer der vielen riesigen Hochstraßen, die die ganze Stadt überzogen.
    Die Luft war heute noch schlechter als sonst. Es war kalt und feucht und der Nebel noch dicker als gewöhnlich. Scarlett spürte förmlich, wie er an ihrer Haut klebte, und fragte sich, wie die Leute in Hongkong das aushielten. Sie stellte fest, dass immer mehr von ihnen diese weißen Gesichtsmasken trugen, und dachte ernsthaft daran, sich auch eine zu besorgen.
    Auf dem Jademarkt gab es ungefähr fünfzig Stände, an denen Ketten, Armbänder und kleine Figuren verkauft wurden. Nach einem unauffälligen Blick auf die Uhr zog Scarlett eine große Show ab. Sie wählte ein Stück aus, verhandelte mit dem Standbesitzer um den Preis, fragte Mrs Cheng nach ihrer Meinung und kaufte schließlich ein Armband zum lächerlichen Preis von drei Pfund. Als sie ihren Einkauf bezahlte, kam ihr der Gedanke, dass das Armband Amanda vermutlich sogar gefallen würde – sie hoffte nur, dass sie bald wieder zu Hause war und es ihr schenken konnte.
    »Möchtest du jetzt wieder zurück?«, fragte Mrs Cheng. Karl lehnte am Wagen und wartete auf sie. Aus irgendeinem Grund hatte er nie ein Problem damit, einen Parkplatz zu finden. Die Polizei – falls überhaupt welche da war – kam niemals auch nur in seine Nähe.
    »Eigentlich nicht…« Scarlett sah sich um und sie hatte Glück. Da war ein Schild, das den Weg zum Tin-Hau-Tempel wies. Sie standen direkt davor. »Können wir uns den Tempel ansehen?«, fragte sie so beiläufig, wie sie konnte.
    »Wir haben doch schon so viele Tempel besichtigt.«
    »Ich würde aber gern noch einen sehen.«
    Es stimmte. Sie waren schon im Man-Mo-Tempel in ZentralHongkong gewesen und erst am Tag zuvor im Kuan Yi. Die chinesischen Tempel waren faszinierend. In ihnen schienen Religion und Aberglauben nebeneinander zu existieren, was die Glücksstäbchen und die Handleser bewiesen, die ganz selbstverständlich zwischen den Altären und dem Weihrauch saßen. Die Besucher beteten auch nicht wie eine englische Gemeinde. Sie verbeugten sich immer wieder und murmelten dabei vor sich hin. Sie ließen Opfergaben in Form von Speisen oder Seide auf den Tischen zurück. Sie verbrannten Papiersäcke in Öfen, die nur zu diesem Zweck da waren. In vieler Hinsicht war Hongkong eine sehr westliche Stadt, aber die Tempel waren typisch asiatisch und erlaubten einen Blick in längst vergangene Zeiten.
    Tin Hau war wie die anderen Tempel. Nach dem Eintreten bemerkte Scarlett, dass es nicht nur einen, sondern mehrere Altäre gab, die von

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