Hoellenpforte
Kantonesisch für ›Hanföl-Boden‹, auch wenn Sie davon heute nichts mehr sehen werden.« Das Foto zeigte einen Markt, auf dem Jade verkauft wurde, was sie an das Amulett erinnerte, das der Vorsitzende ihr geschenkt hatte und das sie immer noch um den Hals trug. Sie fragte sich, ob er es auf diesem Markt gekauft hatte.
Sie wollte das Buch schon weglegen – wieder eine falsche Fährte –, als ihr etwas auffiel. Ein Abschnitt war mit Bleistift markiert. Der Strich war so fein, dass er kaum zu sehen war, aber vielleicht war das Absicht. Gespannt begann sie, den Absatz zu lesen:
Tin-Hau-Tempel. Diesen faszinierenden Tempel auf einem stillen Platz nördlich des Jademarkts sollten Sie sich nicht entgehen lassen. Tin Hau ist die Göttin des Meeres, aber der Tempel ist auch Shing Wong, dem Gott der Stadt, und To Tei, dem Gott der Erde, gewidmet. Der Eintritt ist frei. Achten Sie auch auf die Wahrsager, die draußen auf den Straßen ihrem Gewerbe nachgehen. Falls Sie abergläubisch sein sollten, können Sie sich hier aus der Hand lesen oder sich von einem » Glücksvogel « die Zukunft vorhersagen lassen.
Und ganz am Ende des Absatzes war eine Nachricht, ebenfalls mit Bleistift geschrieben: 17:00 Uhr.
In dieser Nacht bekam Scarlett nicht viel Schlaf. Jemand versuchte, Kontakt zu ihr aufzunehmen, und das Risiko war so groß, dass er enorme Vorsichtsmaßnahmen treffen musste. Zuerst hatte man ihr das Buch in den Koffer gelegt und dazu vielleicht jemanden im Flughafen bestochen. Dann hatte man ein ganzes Bürogebäude übernommen, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Und die Nachricht war ziemlich raffiniert gewesen. S 70. Jeder, dessen Muttersprache Chinesisch war, würde sich schwer damit tun, herauszufinden, was das bedeutete. Auch für sie war es nicht gerade einfach gewesen.
Sie musste den Tempel besuchen und sie musste nachmittags um fünf dort sein. Vielleicht wartete dort jemand, der ihren Vater kannte. Vielleicht würde sie dann erfahren, wo er wirklich war.
In dieser Nacht brannte es in Hongkong. Das Bürogebäude mit dem Großbildschirm brannte vollkommen aus, und als Scarlett aufwachte, war die Luft noch grauer und undurchsichtiger als sonst, weil sich der Rauch mit dem anderen Schmutz vermischt hatte. Sie sah aus dem Fenster, doch sie konnte die andere Seite des Hafens nicht sehen. Ganz Kaulun steckte im Nebel.
Beim Frühstück war Mrs Cheng gesprächiger als sonst. Sie erwähnte, dass dem Feuer neun Menschen zum Opfer gefallen waren, und bestand darauf, den Fernseher anzustellen, um zu sehen, was passiert war. Und tatsächlich, ein Lokalsender berichtete davon. Die Bilder waren ein wenig grobkörnig und der Bericht natürlich auf Chinesisch, aber Scarlett erkannte das Gebäude direkt gegenüber von Wisdom Court. Die Aufnahmen stammten von der vergangenen Nacht. Die Flammen schlugen hoch und spiegelten sich im schwarzen Wasser des Hafens. Ein halbes Dutzend Feuerwehrfahrzeuge war zum Brandort gekommen.
Aber die Feuerwehrleute taten nichts. Die Kamera schwenkte über sie und es bewegte sich kein Einziger von ihnen. Sie rollten nicht einmal ihre Schläuche aus.
Sie standen einfach nur da und ließen das Gebäude niederbrennen.
GLÜCKSVÖGEL
Der Tin-Hau-Tempel war ein schmales, flaches Gebäude, das von Bäumen umgeben war und hinter einer Mauer versteckt lag, fast so, als wollte er nicht gefunden werden. Rundherum ragten Wolkenkratzer in den Himmel, aber in der Mitte zwischen ihnen war ein großer Platz mit Bäumen, die aussahen, als würden sie direkt aus dem Beton sprießen. Hier standen einige Tische und Bänke, an denen alte Männer eine chinesische Version von Schach spielten. Eine Handvoll Touristen war ebenfalls unterwegs und die Leute fotografierten sich gegenseitig vor den grünen Dächern des Tempels. Die Luft roch nach Weihrauch.
Es war nicht leicht gewesen, Mrs Cheng dazu zu bringen, mit ihr den Tempel zu besuchen.
Scarlett hatte sehr überlegt vorgehen müssen. Mrs Cheng hatte ihr die Nachrichtensendung aus gutem Grund gezeigt. Sie hatte sich von Scarletts Unschuldsmiene am Abend zuvor nicht täuschen lassen und wollte, dass sie es wusste. Wenn Scarlett verlangt hätte, den Tin-Hau-Tempel zu besichtigen, und das auch noch zu einer bestimmten Uhrzeit, wäre sie bestimmt noch misstrauischer geworden.
»Gibt es etwas Neues von meinem Dad?« Beim Abräumen des Frühstücksgeschirrs stellte Scarlett die gleiche Frage wie jeden Morgen.
»Ich bin sicher, dass er dich bald anruft,
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