Hoellenprinz
gröÃer und dunkler.
Das Megafon erscheint wieder mit einer Sprechblase:
»Stillgestanden!«
Der Mann steht ruckartig auf, strafft die Schultern und spannt seinen ganzen Körper an. Sein Kopf ist mittlerweile so groà und schwer, dass er ihn kaum noch halten kann. Plötzlich, nach einer winzig kleinen Bewegung, bricht er ab, fällt auf den Boden, kullert an den Rand und explodiert.
Als der Wagen auÃer Hörweite war, ging Lukas ins Schlafzimmer seiner Eltern und kniete sich vor die Kommode seiner Mutter, in der sie ihren Schmuck aufbewahrte. Die zwei Schubladen waren verschlossen. Mist! Wo könnte seine Mutter den Schlüssel aufbewahren? Lukas blickte sich in dem Zimmer um. Es muss mindestens zehn Jahre her sein, als er das letzte Mal hier war. Der Raum war so ordentlich und perfekt eingerichtet wie alle anderen Räume in diesem gigantischen Haus auch, seinen natürlich ausgenommen. Jeder Gegenstand wirkte bewusst ausgesucht und wohlplatziert, sogar die kitschige Marmorkatze auf dem Fensterbrett. Er öffnete das Nachttischchen seiner Mutter und tastete mit seiner Hand zwischen all den Tablettenschachteln und Taschentüchern nach dem Schlüssel. Vergebens. Er ging auf die andere Seite des Bettes. Noch nie hatte er sich so weit in diesen intimen Bereich seiner Eltern vorgewagt. Zaghaft öffnete er die Nachttischschublade seines Vaters. Er war erstaunt über die Unordnung, die er hier vorfand. Die Schublade war vollgestopft mit Zetteln, diversen Aufladekabeln und undefinierbarem Kram. Lukas holte die Schublade heraus, setzte sich auf den Bettrand und stellte sie auf seinen SchoÃ. Sofort sprang ihm ein Foto ins Gesicht und Lukas glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Darauf waren Daniel und er zu sehen, beide auf seinem Fahrrad. Er saà auf dem Sattel und Daniel auf dem Gepäckträger. Lukas durchwühlte die Papiere und fand noch mehr Fotos. Daniel und Lukas in einem Café, Lukas im Gespräch mit Timo, Daniel und Lukas vor der Schule. Er legte sie alle ausgebreitet neben sich auf den weiÃen Bettüberzug und schaute sie an. Das ist eindeutig! Mein Vater hat uns verfolgt!, dachte er und spürte, wie sich Wut in ihm ausbreitete. Mit einer einzigen Bewegung leerte er die Schublade auf dem Bett aus und blickte auf das Chaos. Tabletten, Gleitcreme, benutzte und unbenutzte Taschentücher, eine Nagelfeile, eine Nasenhaarschere, noch mehr Fotos von Daniel und ihm, Papiere, Kabel â¦
In Lukasâ Ohren rauschte die Wut. Sein Vater konnte Daniel nicht leiden, das hatte er ihm schon immer gesagt, unverblümt, direkt. Aber wieso verfolgte er sie oder lieà sie verfolgen? Was wusste er? Hatte er am Ende bemerkt, dass er⦠Nein, das konnte nicht sein! Angewidert räumte er die Sachen zurück und schob die Schublade in das Nachttischschränkchen. Die Idee mit dem Schmuck lieà er fallen. Er wollte hier raus, sofort! Und er musste der Frage nachgehen, die jetzt wie ein Krebsgeschwür in seinem Innern wucherte: Hatte sein Vater etwas mit Daniels Tod zu tun? Wollte er ihn aus dem Weg räumen, damit einer gesunden Entwicklung des einzigen Erpenstein-Erben nichts mehr im Weg stand? Wie hatte er es noch mal bei seiner letzten Predigt formuliert: »Dieser Daniel hatte sowieso keinen guten Einfluss auf dich.«
14
F ür den Rückweg hatte Ela sogar nur 30 Minuten gebraucht. Sie hätte sich den Hals brechen können, so unvorsichtig war sie über die kurvigen LandstraÃen gerast. Vorher hatte sie noch so lange auf den Ständer eingetreten, bis er abgebrochen war und ihre Zehen angefangen hatten zu bluten.
Jetzt saà sie schnaufend zu Hause und lieà ihren Computer hochfahren. Caros Worte hatten sie derart aufgewühlt und fertiggemacht, dass sie sofort wissen wollte, was alles passieren konnte, wenn man so betrunken war wie sie. Google führte sie zu einem Forum, in dem jemand die Frage gestellt hatte, inwieweit Alkohol das Verhalten verändern würde.
Mein Freund wird immer total aggressiv, wenn er was getrunken hat. Sonst ist er lammfromm. Aber sobald er gesoffen hat, wird er ein anderer Mensch, als würde in ihm ein Schalter umgelegt.
Das habe ich auch schon mal bei einer Klassenkameradin erlebt. Die hat auf einer Party im Suff das ganze Buffet zerschmettert. Total peinlich. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie immer nur schüchtern dabeigesessen. Aber auf dieser einen Party hat sie zu viel getrunken und ist
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