Hoellenprinz
durchgedreht. Keiner wusste, warum, ganz komisch.
Mein Bruder ist wie Dr. Jekyll und Mr Hyde. Eigentlich ist er ein Softi, sogar eher langweilig bis spieÃig, würde ich sagen. Aber wenn er was getrunken hat, ist er völlig hemmungslos.
Das weià man ja, dass Alkohol die Hemmschwelle reduziert. Manche lassen sich total gehen, haben keine Angst mehr, vor nichts und niemanden.
Manche werden aber auch immer ruhiger oder lustiger. Da gibtâs Riesenunterschiede.
Ich glaube, dass man mit Alkohol am ehrlichsten ist. Da kommt einfach alles raus, was in dir steckt.
Nee, glaube ich nicht. Ich glaube, dass Alkohol einen sogar verändert. Da ist man nicht man selbst, wenn man plötzlich gewalttätig wird. Das macht der Alkohol aus einem.
Ela verlieà das Forum. Sie hatte genug gelesen. Caro könnte also mit dem, was sie gesagt hatte, recht haben. Steckte ein Monster in ihr, das das Trinken zutage gefördert hatte? War sie dazu in der Lage, jemanden umzubringen? Daniel umzubringen? Wie war das mit Mireille gewesen?
Wir sind in der siebten Klasse und 13 Jahre alt. Nach einer Klassenfeier gehe ich mit zu Mireille. Sie ist die Erfahrenste von uns, hatte schon mehrere Freunde gehabt und mit zwei davon geschlafen, angeblich. Daher nehme ich mir vor, die Chance, mit ihr allein zu sein, zu nutzen.
»Mireille. Wenn ich dich jetzt was frage, versprichst du mir, niemandem davon zu erzählen?«
»Na klar. Ich kann Geheimnisse gut für mich behalten.«
»Okay.« Ein bisschen peinlich ist es mir natürlich trotzdem, aber ich muss es wissen. Also nehme ich meinen ganzen Mut zusammen und stelle die Frage, die mich schon lange beschäftigte: »Wie macht man mit jemandem rum?«
»Was meinst du damit?«
»Na ja. Was macht man da so? Woher weià ich zum Beispiel, was ich mit der Zunge mache und was mit den Händen?«
Mireille lacht. »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?«
Ihr Lachen ist wie eine Ohrfeige. Kurz überlege ich, auch zu lachen und so zu tun, als hätte ich einen Scherz gemacht, entscheide mich aber dagegen.
»Doch, das ist mein Ernst.«
Mireille muss an meiner Stimme erkannt haben, dass ich beleidigt bin, denn sie hört auf zu lachen und antwortet:
»Wie soll ich das beschreiben? Da denkt man nicht drüber nach, das macht man einfach. Ganz automatisch.«
Obwohl mich die Antwort nicht befriedigt, belasse ich es dabei und bitte Mireille noch einmal, das Gespräch für sich zu behalten.
Am Montagmorgen in der ersten groÃen Pause, als wir alle wie immer zusammenstehen, sagt Mireille plötzlich ziemlich laut: »Stellt euch vor, was mich Ela nach der Party am Freitag gefragt hat!«
»Was?«, kommt es von allen Seiten und ich glotze sie nur mit offenem Mund an, weil ich nicht glauben kann, was gerade passiert.
»Wie man mit jemandem rummacht. Was man mit der Zunge macht und wo man die Arme hintut. Ist das nicht niedlich?«
Tom und Jakob kichern und schauen mich an. Johanna quietscht auf, als hätte sie den besten Witz aller Zeiten gehört.
Und ich sehe nur noch rot, spüre, wie sich meine Finger zu Fäusten ballen und wie die rechte nach vorne schieÃt und irgendwo in Mireilles Gesicht landet. Ihre teure Brille fliegt im hohen Bogen von ihrer Nase, knallt auf den steinigen Pausenhofboden und ein Glas zerspringt. Mir tut die Hand weh und Mireilles Nase blutet.
Ela lieà die Stuhllehne los. Ihr taten die Hände weh, so sehr hatte sie sich an der Lehne festgekrallt.
Ein Ton kündigte eine Mail an. Ja! Mama hatte geantwortet. Sie haben sich sofort auf den Heimweg gemacht! Ela las die Mail dreimal und wurde sofort von einem wunderbaren Gefühl der Sicherheit übermannt. Wenn ihre Eltern hier wären, würde alles wieder gut werden.
Ihr Blick fiel auf die Mail von Sebastian, die er vor ein paar Tagen an das ganze Volleyballteam geschickt hatte. Darin ging es um das Treffen im Vereinsheim. Sie sah auf die Uhr. Um zwölf Uhr fing es an. Sie wollten die letzten Spiele anhand von Sebastians Filmaufnahmen analysieren. Das hatten sie nach fünf Niederlagen in Folge auch bitternötig. Aber ob das heute jemanden interessieren würde? Obwohl⦠Ela ging ihre Mannschaft durch. Eigentlich waren nur Luna, Sophie, Caro und sie von den Geschehnissen betroffen. Für alle anderen war heute ein normaler Sonntag mit einer Sensationsmeldung, mehr nicht. Caro würde bestimmt nicht kommen. Sophie schon
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