Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
und
deutlich, ja.«
»Dann mach
am besten ein Nickerchen oder warte einfach. Es kann eine Weile dauern, was darauf
ankommt, ob ich welche von den alten Kunden treffe oder nicht. Ich gehe aber davon
aus, dass es so kommen wird.«
»Und ich
gehe nicht weg von hier.«
Mit einem
hingenuschelten »gut« beendete der junge Polizist die Konversation, stieg aus dem
Wagen und betrat einige Sekunden später die merkwürdigste Kneipe, die Lenz jemals
zu Gesicht bekommen hatte. Zumindest von außen.
12
Maik Wesseling starrte mit ausdruckslosem
Gesicht auf sein halb geleertes Bierglas. Vor seinem geistigen Auge lief ein Film
ab, in dem er selbst die männliche Hauptrolle spielte; die weibliche wurde von Stefanie
Kratzer übernommen. Die beiden fuhren in seinem offenen Wagen an leuchtend gelben
Rapsfeldern vorbei, liebten sich wild an einer Flussbiegung oder stritten über irgendeine
Belanglosigkeit.
Eine halbe
Stunde vorher hatte der Mann von einem Schutzpolizisten, der sich ab und an im Zuhältermilieu
herumtrieb, die Information erhalten, dass Stefanie Kratzer tot sei. Dass sie einem
Mord zum Opfer gefallen war.
Seine Steffi.
Er hatte
die Frau vor etwas mehr als zwei Jahren kennengelernt, auf der Geburtstagsfeier
eines Freundes. Während des ganzen Abends war sie ihm aus dem Weg gegangen und hatte
seine unverhohlenen Annäherungsversuche hartnäckig ignoriert. Dann jedoch, um drei
Uhr morgens, das erste, arrogante Lächeln in seine Richtung. Um fünf saßen sie in
seinem Wagen und fuhren aus der Stadt. Wesseling führte ihr sein ein paar Tage zuvor
erworbenes Pferd vor, ließ sie eine Runde ohne Sattel drehen.
»Das mit
uns wird nichts werden«, hatte sie ihm im weiteren Verlauf des Morgens erklärt,
»und wenn du dich noch so anstrengst. Ich weiß, wer du bist, und das kann nichts
Gutes für mich bedeuten.«
Er hatte
ihr nicht widersprochen, sie in den Tagen darauf jedoch mit Blumen überschüttet.
Rote Rosen zum Frühstück, zum Mittag und zum Abend. Und nachts, wenn Stefanie Kratzer
müde von der Arbeit nach Hause kam, saß er vor ihrer Wohnungstür und wartete auf
sie. Mit einem riesigen Strauß roter Rosen natürlich. Dieses floristische Bombardement
hatte sie zwei Wochen durchgehalten, dann war sie weich geworden und hatte sich
zum Essen einladen lassen. Aus dem Essen wurden Kinobesuche, und aus denen erwuchs
langsam, sehr langsam ein Vertrauensverhältnis. Und doch dauerte es noch länger
als einen Monat, bis Maik Wesseling zum ersten Mal seine Hand unter ihren Pullover
schieben durfte. Von diesem Augenblick an war jedoch alles ganz schnell gegangen.
Gemeinsame Wohnung, gemeinsame Kasse, gemeinsame Shoppingorgien; denn wenn die beiden
etwas verband, dann war es ihre Liebe zu Luxus und Prunk. Leisten konnten sie sich
beides, weil Stefanie Kratzer sehr gut im Geschäft war und Wesseling noch sechs
andere Frauen für sich anschaffen ließ. Nach einem halben Jahr jedoch war Schluss
mit der großen Liebe. Stefanie hatte herausgefunden, dass ihr Freund sich nebenbei
mit einer anderen Frau traf, was sie dazu bewog, sofort bei ihm auszuziehen.
»Du miese
kleine Ratte!«, hatte sie ihn lautstark beschimpft. »Ich hab dir vertraut, und du
machst so einen Scheiß.«
Ihre neue
Wohnung hatte zwei Zimmer und einen so kleinen Balkon, dass man nicht zu zweit nebeneinander
hätte auf ihm stehen können, doch sie war zunächst froh, Wesseling losgeworden zu
sein. Obwohl sie selbst jeden Tag so etwas Ähnliches wie Sex mit Männern hatte,
die sie dafür bezahlten, war es immer wichtig gewesen für die junge Frau, dass ihr
Partner im Bett nur für sie da war. Ein paar Wochen später allerdings hatte sie
das merkwürdige Gefühl beschlichen, dass sie ohne Wesseling auch nicht leben konnte
und wollte, und so hatte sich eine merkwürdige Symbiose zwischen den beiden entwickelt,
in der sie die Fäden in der Hand hielt und er froh war, sie wieder als seine Freundin
bezeichnen zu können. Stefanie ging ihrem Job nun in dem von ihm auf Peter Ehrenreichs
Namen gekauften Penthouse am Wolfsanger nach, die Einnahmen wurden aufgeteilt, und
wenn sie Lust auf ihn hatte, kam sie vorbei. Wenn nicht, ließ sie es bleiben, was
für Wesseling oftmals sehr unbefriedigend war, doch er wusste, dass es die einzige
Lösung darstellte, wenn er sie nicht komplett verlieren wollte.
Und nun
war sie tot.
Ermordet
von einem Irren, der unbedingt den Bürgermeister killen musste, wenn der sich von
seiner Stammnutte bedienen ließ.
Wesseling
hatte bis zu
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