Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
die Situation wieder beruhigt hatte,
fragte Maria erneut, was er meinte.
»Ich habe
dich schlecht behandelt, dafür will ich mich entschuldigen.«
Man kann
sich nicht entschuldigen , hätte Maria am liebsten losgebrüllt, man
kann höchstens um Entschuldigung bitten. Ob sie dann gewährt wird, muss man dem
anderen überlassen. Aber das werden die Menschen auch in 100 Jahren noch nicht verstanden
haben.
»Was genau
meinst du, für das du mich um Entschuldigung bitten willst?«
Es dauerte
eine Weile, bevor er antwortete.
»Ich war
nicht immer gut zu dir«, begann er schließlich.
»Das stimmt«,
erwiderte Maria sarkastisch und hoffte gleichzeitig, dass ihm ihr Unterton nicht
auffallen würde.
»Du … hast recht,
wenn du immer noch … sauer auf mich bist.«
Zeislinger
schnappte so plötzlich und so gierig nach Luft, dass Maria sich für einen Augenblick
sorgte, er würde vor ihren Augen sterben.
»Ich war
die meiste Zeit kein guter Ehemann«, führte er seinen Gedanken fort, »und das wissen
wir beide auch ganz genau. Dass du dich in unserer Ehe auch nicht gerade mit Ruhm
bekleckert hast, lassen wir heute mal außen vor.«
Maria atmete
tief durch, während sein Satz noch ein paar Runden in ihrem Gehirn drehte, die ihn
allerdings nicht besser werden ließen.
»Was wird
das, Erich? Hast du mich hierherbestellt, um schmutzige Wäsche zu waschen?«
Nun öffnete
der OB beide Augen, drehte den Kopf nach links und versuchte etwas zu erkennen.
»Ich kann … dich nicht
richtig sehen. Alles … doppelt und dreifach.«
»Das tut
mir leid. Aber ich drücke dir die Daumen, dass du ganz schnell wieder gesund wirst.«
Wieder sein
Versuch, den Kopf zu schütteln.
»Das wird
nichts mehr mit mir, Maria. Ich werde … sterben, das weiß ich, aber ich
wollte auf jeden Fall vorher mit dir gesprochen haben. Ich will diese … Schande,
diese Schuld nicht … mit ins Grab nehmen.«
Maria überlegte
in diesem Moment ernsthaft, ob Erich ihr eine Show vorspielte oder ob vielleicht
die Medikamente sein Hirn dermaßen vernebelt haben könnten, dass er solch eine gequirlte
Kacke von sich gab.
»Von welcher
Schuld genau sprichst du? Immerhin gab es da schon eine nicht zu unterschätzende
Anzahl an Patzern.«
Erneut öffnete
er die Augen, und diesmal hatte Maria den Eindruck, er würde sie genau sehen können.
» Diese Patzer meine ich jetzt nicht, Maria. Die Frauen, die du jetzt ansprichst, haben
mir doch alle nichts bedeutet. Ich rede von einer Schuld, die viel tiefer, viel
schwerwiegender ist.«
Nun wurde
die ehemalige First Lady der Stadt Kassel doch hellhörig.
»Also gut,
dann lass mal hören!«, forderte sie ihn unterkühlt auf.
Es entstand
wieder eine Pause, in der nur das rasselnde Luftholen des OB zu hören war.
»Es tut
mir wirklich leid, Maria, nicht, dass es so weit gekommen ist, aber … ich … ich wusste
mir damals nicht anders zu helfen. Es war die pure Verzweiflung, die mich getrieben
hat. Die Verzweiflung, dass du mich so viele Jahre mit diesem Polizisten hintergangen
hast.«
Komm auf
den Punkt, Erich !, durchzuckte es die Frau auf dem Besucherstuhl, und endlich hatte
ihr Exmann ein Einsehen mit ihr.
»Ich habe
damals über Dritte einen Mann damit beauftragt, dir Angst zu machen«, hauchte Zeislinger.
»Damit du zur Besinnung und vielleicht auch zu mir zurückkommst. Du musst mir aber
glauben, dass ich nicht wusste, dass er handgreiflich werden würde. Das wollte ich
wirklich nicht.«
In Marias
Augen bildete sich schlagartig ein feuchter Film, der sich so schnell verdichtete,
dass schon im nächsten Augenblick eine Träne über ihre rechte Wange rann. Noch während
Erich gesprochen hatte, waren die Bilder der Ereignisse aus jener Sommernacht des
Vorjahres zurückgekommen, die sie am liebsten ganz tief in ihrem Unterbewusstsein
vergraben hätte, und die doch von Zeit zu Zeit an ihr nagten und sie ängstigten.
Ein Mann hatte ihr damals vor der Haustür aufgelauert, sie bedroht und anschließend
brutal niedergeschlagen. Ein Mann, der augenscheinlich von Erich Zeislinger geschickt
worden war.
»Das ist
jetzt nicht dein Ernst, Erich!«, schrie sie hysterisch. »Das kann doch nicht wahr
sein!«
19
Maik Wesseling hatte eine schlaflose
Nacht hinter sich, von etwa eineinhalb Stunden unruhigen Dösens auf einem Rasthof
abgesehen. Nachdem er Kassel hinter sich gelassen hatte und zunächst ziellos in
der Gegend herumgefahren war, hatte er sich bei Warburg entschlossen, auf die A44
abzubiegen, Richtung
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