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Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)

Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)

Titel: Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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Beifahrertür erreicht und öffnete
sie nun, gefolgt von einem neugierigen Blick Richtung Handschuhfach. Seine rechte
Hand bewegte sich langsam nach vorn, während er sich mit der linken vorsichtig auf
dem Sitz abstützte. Unterdessen taxierte Wesseling seine Chancen auf eine Flucht
zu Fuß. Ohne Jacke und ohne Geld und ohne Ortskenntnis.
    Scheiße!
    Die Hand
des Polizisten war noch etwa fünf Zentimeter vom Riegel des Handschuhfachs entfernt,
und in spätestens 15 Sekunden würde er ihn, wenn nicht augenblicklich ein Wunder
geschah, in Handschellen abführen.
    Nun hatte
die Hand die Kunststoffklappe erreicht. Zeigefinger und Daumen bewegten sich weiter
nach vorn, während sich der Arm um etwa 30 Grad drehte. Das leise Klicken, das den
Öffnungsvorgang bestätigte, dröhnte wie ein Schuss in Wesselings Ohren. Und noch
etwas dröhnte in seinen Ohren, nämlich ein lauter Knall, dessen Ursprung er jedoch
nicht orten konnte. Der Polizist sprang erschrocken hoch und starrte seinen Kollegen
mit weit aufgerissenen Augen an, der, starr vor Schreck, in die Richtung gaffte,
aus der das Geräusch gekommen war. Gleichzeitig fiel die Klappe des Handschuhfachs
nach unten, wurde vom Anschlag rüde gebremst, federte ein paarmal auf und ab und
kam schließlich in geöffneter Position zum Stillstand. Der Zuhälter, der noch immer
in der geöffneten Fahrertür verharrte, hatte freien Blick auf die beiden Pistolen,
und irgendwie erinnerte ihn die Szenerie an das weit aufgerissene Maul eines Raubtieres.
Eines bösen, heimtückischen Raubtieres. Die Polizisten schluckten synchron, sahen
sich an, doch ein paar Sekundenbruchteile später hatten sie sich wohl so weit wieder
unter Kontrolle, dass sie zu ihrem Dienstwagen sprinteten, hineinsprangen, und mit
quietschenden Reifen davonrasten.
    Maik Wesseling
hatte während dieser zutiefst verwirrenden Aktion regungslos dagestanden. Erst nachdem
der Polizeiwagen längst aus seinem Blickfeld verschwunden und seine Verstörung sich
halbwegs gelegt hatte, wankte er langsam um die Vorderseite des Golfs herum und
klappte den Deckel des Handschuhfachs zu. Dann drehte er seinen Oberkörper vom Auto
weg, beugte sich nach vorn und übergab sich.
     
    *
     
    Der Zuhälter sah auf die Uhr im
Armaturenbrett.
    Kurz vor
acht.
    Noch immer
konnte er nicht fassen, was ihm drei Stunden zuvor passiert war.
    Eigentlich
hab ich schon im Knast gesessen. Aber irgendwer hat es heute gut mit mir gemeint.
    Er kannte
diesen Irgendwer nicht und er würde ihn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
auch nie in seinem Leben persönlich kennenlernen, doch er hatte zumindest sein Gesicht
für einen kurzen Moment sehen können. Oder das, was davon übrig geblieben war, nachdem
er mit ziemlichem Geschwindigkeitsüberschuss eine Hauswand torpediert hatte.
    Wesseling
war, nachdem er sich den Mund und die Stiefel abgewischt hatte, auf dem gleichen
Weg aus Venlo hinausgefahren, den er auf dem Hinweg benutzt hatte.
    Dabei sah
er, keine 100 Meter vom Bahnhof entfernt, eine alte japanische Limousine, natürlich
ohne Airbag, die bis zur A-Säule in einem Backsteinhaus steckte. Mitten im Bild
die beiden Bullen, die ihm gerade noch den Blutdruck in schwindelerregende Höhen
getrieben hatten und die sich nun einen Dreck um ihn scherten. Und über allem die
Geräusche von Sirenen. Vielen Sirenen.
    Langsam,
ohne jegliche Hast, rollte er wieder auf die Autobahn, und es bestand für ihn nicht
der geringste Zweifel daran, dass ihn die Fahrt Richtung Osten führen würde. Richtung
Deutschland. Richtung Kassel.
    Der Adrenalinschub,
den er sich in Venlo eingefangen hatte, reichte bis kurz hinter Dortmund, dann fielen
ihm zwei Mal die Augen zu. Er lenkte den Golf auf den Rastplatz ›Am Haarstrang‹,
stoppte auf einem Parkplatz zwischen den LKWs, drehte den Zündschlüssel nach links
und war keine fünf Sekunden später eingeschlafen.
    Etwa auf
der Höhe der Ausfahrt Warburg, die er gerade passierte, schaltete das Radio auf
einen Sender des Hessischen Rundfunks um. Es gab ein paar Werbeclips, dann begannen
die Nachrichten. Wesseling hatte schon den Arm ausgefahren, um wieder auf CD umzuschalten,
weil er das Gequatsche der Nachrichtensprecher auf den Tod nicht leiden konnte,
zuckte jedoch zurück, nachdem die ersten Worte in seinem übermüdeten Gehirn angekommen
waren.
    Kassel:
Das brutale Morden in der Nordhessischen Metropole geht weiter. Wie die Behörden
mitteilten, wurden in der vergangenen Nacht in einer Wohnung in der Innenstadt

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