Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
und erhob sich langsam.
»Vergessen
Sie bitte nicht, dass es jetzt nur um die elementarsten Dinge in Bezug auf die evangelikale
Gruppe ging. Ich könnte Ihnen noch sehr viel tiefergreifende Informationen liefern,
allerdings nicht zwischen Tür und Angel wie jetzt, dafür müssten wir einen weiteren,
ausführlicheren Termin vereinbaren.«
»Wir kommen
gern darauf zurück, wenn sich noch Fragen ergeben sollten«, ließ Lenz den Mann wissen,
während er nach seinen Krücken griff und aufstand.
»Rufen Sie
mich einfach an, die Telefonnummer haben Sie.«
»Das machen
wir. Vielen Dank.«
*
»Was waren das für schöne Zeiten,
als du dein Cabrio noch hattest«, sinnierte Lenz, während er auf dem Beifahrersitz
des im Innenraum etwa 65 Grad heißen Kombis seines Kollegen darauf wartete, dass
die Klimaanlage ihren Dienst aufnahm.
»Ja, das
waren noch Zeiten, als wir im offenen Wagen vorfahren konnten. Aber da hatte ich
noch keine Familie zu transportieren, war frei und ungebunden.«
»Sollte
das jetzt so klingen, als ob du unglücklich seist mit deiner Situation?«
»Pah«, winkte
der Oberkommissar ab, »das kannst du vergessen. Ich war noch nie so glücklich und
zufrieden mit meinem Leben wie jetzt.«
Er wischte
sich den Schweiß von der Stirn.
»Obwohl
ich ganz akut auch den Fahrtwind in den Haaren genießen könnte. Diese Hitze ist
schon brutal.«
Er drehte
die Lüftung eine Stufe höher und schaltete das Radio ein.
»Vielleicht
kündigt der Wetterbericht uns ja Erleichterung an.«
»Das kannst
du vergessen. Die nächsten Tage gibt es keine Veränderung. Drückende Hitze und tropische
Nächte, sonst nichts.«
»Nun denn«,
machte Hain auf Fatalismus, »ändern können wir es ohnehin nicht.«
»Wo wir
gerade bei Familie und Kindern sind, Thilo«, wechselte Lenz abrupt das Thema, »bei
diesen Evangelikalen hätten weder du noch ich jemals Chancen, auch nur in die Nähe
des Himmels zu kommen.«
»Genau das
habe ich auch gedacht, als Wiesinger von deren komischen Riten und Regeln erzählt
hat. Einer wie du, der mehr als acht Jahre die Frau eines anderen begehrt und was
weiß ich noch alles hat, und ein unehelicher Vater wie ich, wir würden bei denen
vermutlich gleich an die Abteilung Höllenfeuer weitergereicht werden.«
Lenz lachte
laut auf.
»Höllenfeuer
klingt gut. In der Hölle kann es allerdings auch nicht heißer sein als in deiner
verdammten Karre.«
Er griff
an die Lüftungslamellen im Armaturenbrett.
»Wow, endlich
wird die Luft etwas kühler.«
Hain bog
an einer Ampel nach links ab, beschleunigte kurz und musste gleich darauf wieder
stark in die Eisen gehen, weil er sonst einem Lieferwagen ins Heck gekracht wäre,
der aus einer Einfahrt auf die Hauptstraße gefahren war, ohne auf den fließenden
Verkehr zu achten.
»Idiot!«,
murmelte Hain.
»Wie ist
das eigentlich bei dir, Thilo«, wollte sein Boss wissen. »Glaubst du an irgendetwas
oder bist du ein ganz und gar gottloser Typ? Ich meine, wir haben eigentlich noch
nie ernsthaft über dieses Thema gesprochen.«
»Was damit
zusammenhängen könnte, dass man meiner Meinung nach über das Thema Religion einfach
nicht ernsthaft sprechen kann, wenn man bei der Mordkommission arbeitet. Oder kennst
du einen Kollegen bei uns, der von irgendeiner religiösen Lehre überzeugt ist?«
Lenz dachte
eine Weile nach.
»Gute Frage.
Leider will mir keiner einfallen.«
»Was auch
nicht verwunderlich ist, oder? Wir mühen uns mit den richtig bösen Buben ab, versuchen,
die zur Strecke zu bringen, die wirklich und ernsthaft anderen was antun. Wie sollte
ich an einen Gott glauben, wenn ich gerade von einem Tatort komme, an dem eine ganze
Familie ausgelöscht wurde?«
»Das war
dann das Werk des Teufels, würden vermutlich die Evangelikalen dazu sagen.«
»Aber wenn
der Teufel so viel Macht hat, wozu braucht es dann einen Gott?«
»Wieder
eine gute Frage, auf die ich keine Antwort habe.«
Hain ließ
den japanischen Kombi vor einer Ampel ausrollen, drehte den Kopf nach rechts und
sah seinen Kollegen an.
»Weißt du,
was mir an allen Religionen am meisten auf den Sack geht?«
»Nein, aber
du wirst es mir sicher gleich erzählen.«
»Am meisten
geht mir auf den Sack, dass der Allmächtige immer für das Gute steht. Dass er für
die guten Taten zuständig ist, und zwar ohne Ausnahme; und dass alles Schlechte
von irgendeiner bösen, undefinierbaren Macht herrührt, vor der wir uns nur schützen
können, wenn wir zu 100 Prozent an das Gute, also an
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