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Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)

Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)

Titel: Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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Fall infrage kommt, denn was der Herr zusammengegeben
hat, das soll der Mensch bekanntlich nicht trennen. Nur ist die Natur des Menschen
nicht so einfach zu reglementieren, wie sich die Männer das vorgestellt haben, von
denen das Alte Testament verfasst wurde. Also, nehmen wir mal an, dass sich eine
Frau, von mir aus ein Mitglied der Bibeltreuen Glaubensgemeinschaft Kassel, in einen
anderen Mann verliebt. Der erste Schritt, der in der heutigen Zeit gegangen wird,
übrigens auch von evangelikalen Männern und Frauen, ist der Ehebruch. Immer verbunden
mit dem Makel der schweren, schweren Sünde. Aber gut, manchmal geht es auch nur
um das Sexuelle, und man verliert nach einer Weile die Lust auf den anderen. Dann
kann die Frau hoffen, dass alles unter der Decke bleibt; wenn nicht, wird es kompliziert.
Deutlich komplizierter allerdings wird es, wenn es sich nicht ausschließlich um
eine sexuelle Beziehung handelt, sondern um echte Liebe. Dann sprechen wir zwangsläufig
von Trennung, Scheidung und dem Aufteilen von zwei Leben, die irgendwann einmal
zusammengeschustert wurden.«
    Lenz hätte
Werner Wiesinger in diesem Augenblick zu gern gefragt, ob er verheiratet ist, verkniff
es sich aber, den Redeschwall des Mannes zu unterbrechen.
    »Richtig
schlimm wird es natürlich, wenn Kinder im Spiel sind. In unserem hypothetischen
Fall würde die Frau sofort aus der Gemeinschaft verstoßen, der Mann und die Kinder
würden stärker denn je unter die Fittiche der Gruppe genommen. Den Kindern würde
in eindringlichen Gesprächen klargemacht, dass sie sich physisch und psychisch von
der Mutter lösen müssten, da diese eine von Gott verdammte Sünderin sei. Und glauben
Sie mir, diese Methoden haben bis jetzt noch in den allermeisten Fällen gewirkt.
Die Kinder wenden sich ab, die Mutter ist isoliert.«
    »Das klingt
wirklich, als hätten Sie jeden Tag mit solchen Dingen zu tun, Herr Wiesinger.«
    »Das habe
ich auch. Und ich mache diese Dinge gern, auch deshalb, weil ich immer mal wieder
ein paar Erfolge erzielen kann. Zum Beispiel heute, indem ich Ihnen mit meinen Informationen
dienen konnte.«
    Wieder wurde
sein Gesicht von einem schelmischen Lachen überzogen.
    »Und wenn
Sie mir dann noch sagen würden, wozu das alles notwendig war, wäre ich der glücklichste
Mann der Welt.«
    Hain und
Lenz tauschten einen kurzen Blick aus.
    »Es geht«,
setzte der Oberkommissar an, »um ein Mitglied der ›Bibeltreuen Gemeinschaft Kassel‹.
Sein Name tut nichts zur Sache, aber um das, was er vielleicht angestellt hat, besser
verstehen zu können, war es wichtig, ein paar grundsätzliche Informationen über
die Gruppe zu bekommen.«
    »Ein Evangelikaler,
der Ärger mit der Polizei hat? Das kommt nicht jeden Tag vor.«
    »Mich«,
überging Lenz seine Bemerkung, »würde noch brennend interessieren, warum Sie diesen
Verein, die Sektenberatung Nordhessen, betreiben. Sie machen das doch nicht hauptberuflich,
oder?«
    »Nein, mein
Geld verdiene ich mit Automaten. Kondomautomaten in der Hauptsache, die in Kneipen
und Discos hängen.«
    Der untersetzte
Mann legte noch einmal die Stirn in Falten.
    »Ich bin
sozusagen ein gebranntes Kind, Herr Kommissar. Ich war einer der Zeugen Jehovas,
bis ich anfing, darüber zu sprechen, dass ich mehr auf Männer als auf Frauen stehe.
Und Schwulsein und Jehovas Zeuge, das geht nun mal so was von überhaupt nicht, das
glauben Sie kaum. Also wurde ich, so heißt das bei denen, mit ›Gemeinschaftsentzug‹
bestraft, was nichts anderes hieß, als dass mir mein komplettes soziales Umfeld
entzogen wurde. Hätte ich meine schwere Sünde bereut, mich geläutert gezeigt und
eine nette, gute, gläubige Zeugin geheiratet, wäre mir das alles erspart geblieben,
aber die Natur war glücklicherweise stärker, was ich bis heute nicht eine einzige
Sekunden bereut habe.«
    Wieder huschte
ein Lächeln über sein Gesicht.
    »Was ich
allerdings sehr stark bereue, ist, dass ich so viel Zeit meines Lebens in der Unterjochung
durch die Sekte und den Glauben an einen Götzen verschenkt habe. Aber, so ist das
Leben nun einmal, und so wird es hoffentlich auch bleiben, man kann eben nicht alles
und dann auch noch zur richtigen Zeit haben.«
    »Beeindruckend«,
meinte Lenz.
    »Danke.
Aber wenn der Leidensdruck groß genug ist, stimmt auch die Reaktion.«
    Die beiden
Polizisten tauschten einen weiteren kurzen Blick.
    »Ja, dann
danken wir Ihnen ganz herzlich für die Auskünfte, Herr Wiesinger«, erklärte Hain
dem Mann hinter dem Schreibtisch

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