Höllenschlund
hatte.
Trotz des breiten Rumpfs war der Flachkieler erstaunlich schnell und wendig und wurde seinem Ruf gerecht, sich so flink und gewandt wie eine Katze zu bewegen. Austin hatte eine Schwäche für Tempo, und er liebte es, in einer steifen Brise mit dem großen Gaffelsegel hart am Wind über das Wasser zu brausen.
Aber nicht heute. Austin verließ das Segelboot und lief zum Parkplatz zurück. Er half Zavala, ihr Gepäck aus dem Jeep auszuladen. Nach der Besprechung im NUMA-Turm hatten sie sich Ausrüstung besorgt und waren zum Bootshafen südlich von Annapolis gefahren. Austin hatte vorher beim Bootsverleih angerufen und ein zwanzig Fuß langes Rennboot aus Fiberglas bestellt.
Zavala trug die Seesäcke, in denen sich ihre Taucherausrüstung befand. Austin schleppte zwei Plastikkisten. Sie brachten die Sachen zum Anleger und verstauten sie im Rennboot. Dann machten sie die Leinen los und fuhren in südlicher Richtung auf die Bucht hinaus. Zavala hatte das Ruder übernommen. Austin beschäftigte sich mit den Seekarten und dem tragbaren Navigationsgerät.
Die Chesapeake Bay war die größte Flussmündung der Vereinigten Staaten und erstreckte sich über fast vierhundert Kilometer – von Havre de Grace in Maryland, wo der Susquehanna River in die Bucht mündete, bis nach Norfolk in Virginia. Die größte Ausdehnung hatte die Bucht in der Nähe der Mündung des Potomac River, wo sie eine Breite von sechzig Kilometern erreichte, während sie bei Aberdeen in Maryland nur sieben Kilometer breit war.
Zavala blickte über die weite Wasserfläche, die im Sonnenlicht glitzerte. »Wie viele Wracks liegen insgesamt am Grund der Chesapeake Bay?«, fragte er mit lauter Stimme, um das Tuckern des Motors zu übertönen.
Austin sah von seinen Karten auf. »Nach der letzten Zählung etwa eintausendachthundert. Von einem Segler aus dem sechzehnten Jahrhundert vor Tangier Island bis zur
Cuyahoga
, einem Boot der Küstenwache, das nach einer Kollision gesunken ist. Aber unser Wrack, das von dem Satelliten geortet wurde, konnte der NUMA-Historiker nicht zuordnen.«
»Auf welche Wassertiefe müssen wir uns einstellen?«
»Die Chesapeake Bay ist größtenteils ziemlich seicht«, antwortete Austin. »Im Durchschnitt etwa einundzwanzig Fuß. Aber die Bucht ist von Furchen durchzogen, die bis zu zweihundert Fuß tief sein können.« Er tippte mit dem Finger auf die Seekarte. »Wie es aussieht, liegt unser Wrack ausgerechnet in einem der tiefsten Löcher.«
Das Rennboot fuhr weiter nach Süden und sprang über die zwei Fuß hohe Dünung hinweg, vorbei an Austernkuttern und Segelbooten. Auf dem Intercoastal Waterway, der mitten durch die Bucht führte, gab es einen steten Verkehr in beide Richtungen.
Eine knappe Stunde nachdem sie den Bootshafen verlassen hatten, konsultierte Austin noch einmal das GPS und gab Zavala ein Zeichen, worauf dieser den Motor drosselte und das Boot nach Austins Handzeichen steuerte. Als sie die richtige Position erreicht hatten, zeigte Austin nach unten und brüllte: »Hier!«
Das Boot kam zum Stehen. Austin legte das Navigationsgerät weg und warf den Anker. Etwa hundert Meter von einer kleinen Insel entfernt schwankte das Boot auf den Wellen. Nach dem Tiefenmesser hatten sie etwa sechsundvierzig Fuß Wasser unter dem Kiel. Zusammen mit Zavala studierte er das Satellitenfoto, das Wilmut ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Der vage Umriss eines Schiffes war gut zu erkennen. Es musste sich genau unter ihnen befinden.
Austin öffnete eine Plastikkiste und hob einen ROV von SeaBotix heraus. Das Remote-Operated Vehicle war ein Tauchroboter, etwa in der Größe und Form eines Staubsaugers. Die NUMA hatte ROVs, die so groß wie ein Auto waren, und Austin hätte sich jederzeit ein Modell mit ausgefeilten Sensoren, die ein wesentlich größeres Spektrum abdeckten, ausleihen können. Aber für diese Erkundung brauchte er etwas Schnelleres. Er konnte auf ein zeitaufwändiges Magnetometer oder ein 360-Grad-Sonar verzichten und hatte sich stattdessen für ein Gefährt entschieden, das für geringe Wassertiefen geeignet und leicht zu transportieren war.
Am vorderen Ende des hellroten Kunststoffgehäuses waren eine hochauflösende Farbkamera und Halogenlampen angebracht. Auf der Rückseite sorgten zwei leistungsfähige Strahlruder für die Fortbewegung. Seitliche Ruder erlaubten vertikale und horizontale Manöver. Metallverstrebungen auf beiden Seiten des Tauchroboters dienten gleichzeitig als Kufen und zum Schutz des
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