Höllenschlund
besuchen. Sie mochte diesen furchtlosen und gut aussehenden Amerikaner und beneidete ihn darum, wie er das Gleichgewicht zwischen der Existenz als Globetrotter und seinem Zuhause hielt. Sie wollte ihn irgendwann darauf mal ansprechen, wie er es eigentlich schaffte, das Beste zweier Welten miteinander zu verbinden.
Carina wurde sich plötzlich eines süßlichen Dufts bewusst, als hätte eine stark parfümierte Frau das Taxi bestiegen. Davon wurde ihr geradezu schwindlig. Sie versuchte, ein Fenster zu öffnen, aber der Heber funktionierte nicht. Der Geruch wurde immer intensiver. Sie hatte das Gefühl, erstickt zu werden. Sie rutschte auf die andere Seite der Rückbank und probierte den dortigen Fensterheber aus, doch er klemmte ebenfalls.
Sie fühlte sich benommen. Sie würde gleich in Ohnmacht fallen, wenn sie keine frische Luft bekam. Also klopfte sie gegen die Trennscheibe, um mit dem Taxifahrer zu reden. Er reagierte nicht. Sie blickte auf den Ausweis, der am Armaturenbrett hing, und hatte den Eindruck, dass das Foto gar nicht zum Gesicht des Fahrers passte. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, und dann brach ihr der kalte Schweiß aus.
Ich muss … hier … raus.
Sie hämmerte mit den Fäusten gegen die Plastikscheibe.
Der Fahrer blickte in den Rückspiegel. Sie konnte seine Augen sehen. Sie wirkten mitleidslos. Das Bild im Rückspiegel wurde immer verschwommener.
Ihre Arme schienen aus Blei zu bestehen. Sie war nicht mehr in der Lage, die Hände zu heben. Sie streckte sich auf der Rückbank aus, schloss die Augen und war im nächsten Augenblick schon weggetreten.
Der Taxifahrer blickte wieder in den Rückspiegel. Als er sah, dass Carina bewusstlos geworden sein musste, legte er einen Schalter am Armaturenbrett um und unterbrach die Gaseinleitung. Er bog von der Fifth Avenue ab und fuhr in Richtung Hudson River weiter.
Einige Minuten später fuhr er mit dem Taxi zu einem Wachhäuschen, das am Eingang zu einem umzäunten Gelände stand. Der Wachmann winkte ihn durch und zeigte auf einen Helikopterlandeplatz am Ufer des Flusses. Zwei Männer mit kalten Augen standen neben einem Hubschrauber, dessen Rotoren sich langsam drehten.
Das Taxi hielt neben der Maschine. Die Männer öffneten die hinteren Türen, zogen Carinas schlaffen Körper heraus und verfrachteten sie in den Hubschrauber.
Der eine Mann stieg auf den Pilotensitz, der andere setzte sich neben Carina. Er hielt ein Fläschchen bereit, um ihr eine weitere Dosis Betäubungsgas zu verabreichen, falls sie wieder aufwachen sollte.
Die Rotoren drehten sich immer schneller. Ein Ruck ging durch den Hubschrauber, dann hob er vom Landeplatz ab.
Wenige Augenblicke später war er nur noch ein kleiner Punkt am Himmel.
38
»Nur hier bin ich glücklich«, zitierte Gamay aus dem Reiseführer. »Jefferson hat nicht den geringsten Zweifel daran gelassen, wie sehr er Monticello liebte.«
»Kann man es ihm etwa zum Vorwurf machen?« Paul zeigte durch die Windschutzscheibe auf den vertrauten Portikus und die Rotunde auf einem fernen Hügel, der sich über die grüne Landschaft von Virginia erhob.
Es war mindestens ein Jahr her, seit die Trouts Jeffersons berühmten Ruhesitz zuletzt besucht hatten, im Verlauf eines Geländeausflugs mit ihrem Humvee. Normalerweise fuhr Paul. Gamay dirigierte ihn und hielt Vorträge über die Sehenswürdigkeiten, wobei sie auf einen hohen Stapel aus Reiseführern zurückgriff. Mit ihren ständigen Kommentaren konnte sie ihm manchmal ziemlich auf den Geist gehen.
»Aha!«, sagte Angela.
Trout zuckte zusammen. Angela, die hinten im Wagen Platz genommen hatte, erwies sich als genauso verrückt nach kleinen Reiseanekdoten, wie Gamay es war. Seit sie früh am Morgen von Georgetown losgefahren waren, hatten sich die beiden Frauen damit abgewechselt, Fakten und Geschichten über Jefferson und Monticello zum Besten zu geben.
»Zu spät«, sagte Paul, der die junge Frau rechtzeitig ausbremsen wollte. »Wir sind schon da.«
»Aber das ist sehr
wichtig
«, sagte Angela. Sie hatte ihre Nase in ein dickes Taschenbuch mit dem Titel
Das Leben von Thomas Jefferson
gesteckt. »Hier geht es um die Jefferson-Dokumente, die auf der Flussfahrt nach Monticello gestohlen wurden.«
Trout spitzte die Ohren. »Lesen Sie vor.«
Angela musste sich nicht zwei Mal bitten lassen. »Jefferson schreibt an seinen Freund Dr. Benjamin Barton und berichtet ihm, dass er seine indianischen Vokabellisten verloren habe. Barton war Naturforscher und Mitglied der
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