Höllenschlund
Mittel für Glatzköpfe machen. So ein Eisberg schlingert manchmal herum wie ein Betrunkener auf dem Heimweg von einer Sauftour. Nordatlantikeisberge sind die schnellsten der Welt. Sie machen bis zu sieben Knoten die Stunde. Zum Glück haben wir eine Menge Unterstützung. Die International Ice Patrol fliegt die Gegend regelmäßig ab. Vorbeifahrende Schiffe behalten die Eisberge im Auge, und die
Eriksson
arbeitet mit einer Flotte kleiner Versorgungsflugzeuge zusammen, die bei Öl- und Gasfirmen unter Vertrag stehen.«
»Wie sind Sie aufs Abschleppen gekommen?«, fragte Zavala.
»Wir haben versucht, Wasserkanonen einzusetzen, um die Eisberge zu bewegen. Das funktioniert auch, mit den kleineren, den sogenannten
growlern
, die ungefähr die Größe eines Klavierflügels haben. Aber es gibt keinen Schlauch, der groß genug wäre, um einen Fünfhunderttausendtonnenberg aus Eis zu bewegen. Sie in wärmeres Wasser zu schleppen scheint am besten zu funktionieren.«
»Wie viele Eisberge schleppen Sie denn so zur Zeit?«, fragte Austin.
»Nur solche, die auf eine Öl- oder Gasbohrinsel zutreiben.
Zwei oder drei Dutzend. Sobald ein Schiff von einem Eisberg hört, kann es den Kurs korrigieren. Ein fünf Milliarden Dollar teurer Superbohrturm hat diese Möglichkeit aber nicht. Die Bohrinseln können sich zwar auch bewegen, aber das braucht eben Zeit. Vor ein paar Jahren wäre es beinahe zu einer Kollision gekommen. Der Eisberg wurde erst gesichtet, als er nur noch sechs Seemeilen von der Plattform entfernt war. Das war zu spät, um den Eisberg wegzuschleppen oder die Bohrinsel zu evakuieren. Das Versorgungsschiff konnte ihn in letzter Sekunde abdrängen. Der Eisberg steuerte genau auf den Bohrturm zu.«
»Trotz all der Überwachung? Ich bin überrascht, dass der Eisberg so nah herankommen konnte«, sagte Austin.
»Wie gesagt, ihr Kurs ist unberechenbar, abhängig von Form, Größe und Wind. Der eine hat sich an uns vorbeigemogelt. Wir halten Ausschau nach einem ziemlich großen Brocken, der im Nebel verschwunden ist, nachdem er vor ein paar Tagen gesichtet wurde. Ich nenne ihn den Moby-Berg.«
»Hoffen wir, dass wir nicht Kapitän Ahab sind, der den weißen Wal jagt«, bemerkte Austin.
»Ich würde einen weißen Wal einem Eisberg durchaus vorziehen«, sagte Dawe. »Übrigens, habe ich Ihnen schon erzählt, warum die Neufundländer im Winter gern Auto fahren?«
Austin und Zavala sahen sich an, verwundert über den plötzlichen Themenwechsel.
»Weil der Schnee die Schlaglöcher füllt«, sagte Dawe. Er lachte so heftig, dass ihm Tränen über die Wangen liefen.
Der Kapitän hatte einen scheinbar endlosen Vorrat an »Neufu« -Witzen, die seine Landsleute auf die Schippe nahmen.
Während des Abendessens gab es weitere Kostproben.
Der Koch der
Leif Eriksson
servierte ein Essen, das einem Fünf-Sterne-Lokal zur Ehre gereicht hätte. Während sich Austin und Zavala über dünnes Roastbeef, grüne Bohnen und Kartoffelpüree mit Knoblauch, alles unter einer dicken Schicht Bratensoße, hermachten, ließ der Kapitän vor seinen aufmerksamen Zuhörern einen Witz nach dem anderen vom Stapel. Austin und Zavala ertrugen den Schwall schlechten Humors, bis sie es nicht mehr aushielten und sich zurückzogen.
Als sie früh am nächsten Morgen zur Brücke hinaufstiegen, schien der Kapitän Mitleid mit ihnen zu haben. Er verzichtete auf Witze und schenkte ihnen heißen Kaffee ein.
»Wir liegen gut in der Zeit. Wir haben eine Menge kleiner Eisberge gesehen. Das ist unser erster
bergy bit
, die nächstgrößere Kategorie nach einem
growler
.«
Dawe zeigte auf einen Eisberg, der in einer Viertelseemeile Entfernung an der Steuerbordseite vorbeidriftete.
»Der ist größer als jeder andere Eisklotz, den ich bisher gesehen habe«, bemerkte Austin.
»Das ist aber nichts im Vergleich zu den Dingern, die wir noch zu Gesicht bekommen werden«, sagte der Kapitän. »Als richtiger Eisberg gilt nur, was an die zwanzig Fuß hoch und fünfzig lang ist. Alles was kleiner ausfällt, ist ein
bergy bit
oder
growler
.«
»Sieht so aus, als müssten wir uns hier draußen ein ganz neues Vokabular aneignen«, bemerkte Zavala.
Dawe nickte zustimmend. »Willkommen in der Iceberg Alley, meine Herren.«
7
Saxon holte seinen Mietwagen am Flughafen von Kairo ab und stürzte sich in die Verkehrsanarchie der uralten Pyramidenstadt. Die Kakophonie aus Hupgeräuschen und die erstickende Wolke aus Staub und Autoabgasen vereinigten sich zu einem wirksamen
Weitere Kostenlose Bücher