Höllenschlund
Staub seine Kehle hinunter.
Er plauderte mit zwei texanischen Ölarbeitern. Der nächste Martini weckte seine Lebensgeister wieder, und einer von den Ölleuten fragte ihn, was er in Ma’arib täte.
Er sagte nur: »Ich mache hier Wasserproben.«
Die Ölarbeiter tauschten verblüffte Blicke aus und brachen schließlich in schallendes Gelächter aus. Bevor sie sich wieder auf den Weg zu ihren Unterkünften machten, spendierten sie Saxon einen dritten Martini.
Saxon befand sich gerade in dem angenehmen Stadium, wenn sämtliche Hirnaktivitäten von einem Alkoholschleier umhüllt sind, als ihm ein älterer Page ein Blatt Hotelbriefpapier mit einer kurzen handgeschriebenen Notiz reichte:
Ich glaube, ich kann Sie dem Seemann vorstellen. Falls Sie noch immer interessiert sind, ihn zu treffen, lassen Sie es mich so bald wie möglich wissen.
Er blinzelte, um den Blick scharf zu stellen, und las noch einmal. Der Absender war ein Antiquitätensammler aus Kairo namens Hassan, mit dem er telefoniert hatte, bevor er in den Jemen gekommen war. Er kritzelte eine Antwort unter die Nachricht und reichte sie dem Pagen zusammen mit einem Trinkgeld und der Anweisung, ihm für den nächsten Morgen ein Fahrzeug zu besorgen. Dann bestellte er die erste von mehreren Tassen starken Kaffees und machte sich daran, wieder nüchtern zu werden.
6
Zavala hatte seinen Seesack gepackt und war zum Aufbruch bereit, als Austin vor dem Gebäude der ehemaligen Bibliothek von Alexandria, Virginia, vorfuhr. Sein Freund hatte das Haus in eine Junggesellenbude mit mexikanischem Flair verwandelt. Die beiden Männer nahmen einen frühen Flug der Air Canada und landeten nach einem Zwischenstopp in Montreal auf dem Rollfeld in St. John’s, Neufundland.
Ein Taxi brachte sie in das geschäftige Hafenviertel, wo die zweihundertsiebzig Fuß lange
Leif Eriksson
lag. Mit seinen viertausendsechshundert Tonnen wirkte das Schiff ziemlich imposant, es war nicht einmal fünf Jahre alt und mit einem verstärkten Rumpf zum Schutz gegen das Nordatlantikeis versehen.
Der Kapitän, ein Neufundländer namens Alfred Dawe, wusste, wann ihr Flug eintreffen sollte, und wartete bereits an Deck auf sie. Als die Männer die Gangway heraufkamen, stellte er sich vor und sagte: »Willkommen an Bord der
Eriksson
.«
Austin drückte seine Hand mit eisernem Griff. »Danke, dass Sie uns mitnehmen, Kapitän Dawe. Ich bin Kurt Austin, und das ist mein Kollege Joe Zavala. Wir sind Ihre neuen Eisbergcowboys.«
Dawe war ein untersetzter Mann in den Fünfzigern, der gern damit prahlte, dass er an einem Ort mit dem trostlosen Namen Misery Cove das Licht der Welt erblickt hatte und seine Familie so blöd war, immer noch dort zu leben. Seine klaren blauen Augen versprühten jungenhaften Schalk, und ein Grinsen mit tiefen Grübchen stahl sich häufig auf sein rotes Gesicht. Abgesehen von seinem beißenden Humor war Dawe ein fähiger Skipper, der in den rauen Gewässern des Nordwestatlantiks viele Jahre Erfahrung mit Schiffen hatte. Er war den unverwechselbar türkisfarbenen Forschungsschiffen der NUMA schon häufig begegnet und wusste, dass die amerikanische Organisation die angesehenste Ozeanforschungseinrichtung der Welt war.
Als Austin angerufen und darum gebeten hatte, auf Eisberginspektionsfahrt zu gehen, hatte der Kapitän beim Schiffseigner angefragt, ob er Gäste an Bord mitnehmen durfte. Er hatte das Okay bekommen und Austin den nächsten Auslauftermin mitgeteilt.
Seit Austin ihm eine Kopie ihrer Lebensläufe geschickt hatte, war Dawe gespannt darauf, die beiden Männer persönlich kennenzulernen. Austin hatte Dawe klarmachen wollen, dass er und Zavala keine ahnungslosen Landratten waren, bei denen man aufpassen musste, dass sie nicht über Bord gingen.
Der Kapitän wusste jetzt von Austins Mastertitel der University of Washington, seiner Ausbildung als Taucher für Unterwassereinsätze und von seinen Kenntnissen auf dem Gebiet der Tiefseebergung. Lange bevor der NUMA-Gründer, Direktor James Sandecker, Austin von der CIA abgeworben hatte, war Austin auf Bohrtürmen in der Nordsee und bei der Meeresrettungsfirma seines Vaters mit Sitz in Seattle tätig gewesen.
Zavalas Lebenslauf besagte, dass er das
New York Maritime College
mit Auszeichnung absolviert hatte, ein erfahrener Pilot mit Hunderten von Stunden auf und unter Wasser und ein brillanter Ingenieur im Bereich Konstruktion sowie beim Einsatz von Unterwasserfahrzeugen war.
Angesichts der beeindruckenden akademischen Meriten
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