Höllenschlund
der Nachricht legte dann eine identische Schablone auf den Text und sah nur die Buchstaben der eigentlichen Botschaft.
Sie legte die Schablone nacheinander auf mehrere Seiten, aber die Buchstaben ergaben keinen Sinn. Sie vermutete, dass hier ein zweites Verschlüsselungssystem benutzt worden war, das ihre amateurhaften Fähigkeiten weit überstieg. Schließlich wandte sie sich dem Pergament mit den Kreuzen und Wellenlinien zu. Sie starrte eine Weile auf die Worte neben den seltsamen Symbolen und rief dann mit ihrem Computer eine Wörterbuchseite im Internet auf. Sie benutzte diese Seite häufiger, wenn sie schummelte und nach ungewöhnlichen Wörtern suchte, die in einem Kreuzworträtsel auftauchten.
Angela tippte die Wörter aus dem Pergament in die Suchmaske der Website ein und drückte die Enter-Taste. Es gab keine Übersetzung, aber sie erhielt den Hinweis, es mit der Datenbank für alte Sprachen zu versuchen. Sie folgte dem Link und gab die gleichen Suchbegriffe noch einmal ein.
Diesmal spuckte das Programm eine Antwort aus, die sie zugleich überraschte und verblüffte.
Sie druckte die Seite aus und kopierte sie zusammen mit dem gesamten Jefferson-Dokument. Die Kopien legte sie in eine Schreibtischschublade. Dann raffte sie das Originaldokument zusammen und ging damit zum Büro der Bibliotheksleiterin.
Angelas Chefin war eine Bibliothekarin mittleren Alters, Helen Woolsey. Sie blickte von ihrem Schreibtisch auf und lächelte, als sie ihren jüngeren Schützling sah.
»Machen Sie wieder Überstunden?«, fragte sie.
»Nicht direkt. Ich bin auf etwas Ungewöhnliches gestoßen und dachte, dass es Sie vielleicht interessieren würde.« Sie reichte ihr das Pergamentbündel.
Während die Bibliotheksleiterin sich die Dokumente ansah, erklärte Angela ihre Theorie über den mutmaßlichen Verfasser.
Helen stieß einen leisen Pfiff aus. »Es ist wirklich aufregend, etwas zu berühren, das Jefferson in den Händen gehalten hat. Das ist ein
unglaublicher
Fund.«
»Ich
glaube
, dass es das ist«, sagte Angela. »Aber ich kann nur vermuten, dass Jefferson in diesem Text eine Botschaft kodiert hat. Jefferson war ein sachkundiger Kryptograph. Manche der Systeme, die er entwickelte, waren noch Jahrzehnte nach seinem Tod in Gebrauch.«
»Offensichtlich handelte es sich um brisante Informationen, die er nicht an die Öffentlichkeit dringen lassen wollte.«
»Da ist noch mehr«, sagte Angela und reichte Helen den Ausdruck von der Sprachen-Website.
Die Bibliotheksleiterin musterte das Blatt eine Weile. »Ist diese Seite zuverlässig?«, fragte sie.
»Ich habe bisher nichts Gegenteiliges bemerkt«, sagte Angela.
Helen tippte mit einem Fingernagel auf das Paket mit den Jefferson-Dokumenten. »Weiß Ihr Schriftstellerfreund von der Bedeutung dieses Materials?«
»Er weiß von der Jefferson-Verbindung«, sagte Angela.
»Aber er glaubt, dass es das ist, was es zu sein scheint, eine Abhandlung darüber, wie man Artischocken anbaut.«
Die Bibliotheksleiterin schüttelte den Kopf. »Das ist nicht das erste Mal, dass Dokumente von Jefferson verloren gegangen sind. Einige ethnologische Schriften über die amerikanischen Indianer sind seit seinen Lebzeiten verschollen, und andere Dokumente, die er verschiedenen Institutionen vermachte, sind einfach verschwunden. Haben Sie irgendeinen Hinweis gefunden, worum es hier gehen könnte?«
»Nicht den leisesten. Dazu braucht man ein Computer-Dekodierungsprogramm und einen Kryptologen, der weiß, wie man so etwas benutzt. Ich habe einen Freund in der National Security Agency, der uns vielleicht helfen könnte.«
»Wunderbar«, sagte Helen. »Aber bevor wir ihn kontaktieren, legen wir die Sache lieber dem Vorstand der Gesellschaft vor. Vorläufig behalten wir diese Entdeckung besser für uns.
Sie könnte von großer Bedeutung für die Gesellschaft sein, sofern die Dokumente echt sind. Aber wir wollen uns nicht lächerlich machen, falls sich alles als Fälschung herausstellen sollte.«
Angela stimmte der Notwendigkeit zu, die Angelegenheit geheim zu halten, aber sie hatte den Verdacht, dass ihre Chefin die Gelegenheit nutzen wollte, sämtliche Lorbeeren selbst zu ernten, falls sich das Material als historische Sensation erwies. Die Bibliotheksleiterin war nicht die Einzige, die Ambitionen hatte. Angela wollte jedenfalls nicht ihr ganzes Leben lang Assistentin bleiben.
Sie nickte. »Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um Mr. Jeffersons offenkundigen Wunsch nach Diskretion
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