Höllenschlund
zu würdigen.«
»Sehr gut«, sagte die Bibliotheksleiterin. Sie öffnete eine Schreibtischschublade und legte das Dokument hinein. »Diese Sache bleibt unter Verschluss, bis ich mit dem Vorstand gesprochen habe. Wenn etwas daraus wird, sorge ich natürlich dafür, dass Sie eine entsprechende Anerkennung für Ihren Fund bekommen.«
Natürlich. Du stellst dich ins Rampenlicht, und wenn alles Betrug ist, gibst du mir die Schuld.
Angelas Lächeln verriet nichts von ihren aufrührerischen Gedanken. Sie stand auf. »Vielen Dank, Mrs. Woolsey.«
Die Bibliotheksleiterin lächelte und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Das Gespräch war beendet. Als Angela ihr einen guten Abend gewünscht und die Tür hinter sich geschlossen hatte, nahm Helena das Jefferson-Dokument wieder aus der Schublade. In ihrem Adressbuch suchte sie nach einer Telefonnummer.
Ihre Aufregung wurde immer größer. Es war das erste Mal, dass sie diese Nummer wählte. Sie hatte sie von einem inzwischen verstorbenen Mitglied des Vorstands der Gesellschaft erhalten. Er hatte ihren Ehrgeiz erkannt und sie gefragt, ob sie eine Aufgabe übernehmen wollte, der er sich aufgrund seiner geschwächten Gesundheit nicht mehr gewachsen fühlte. Sie sollte für eine exzentrische Person arbeiten, die sich für gewisse Objekte begeisterte. Sie musste nur die Augen und Ohren offen halten, und falls bestimmte Themen zur Sprache kamen, sollte sie ein Telefonat tätigen.
Die Entlohnung war für eine Aufgabe, die so gut wie keine Arbeit erforderte, recht großzügig. Damit hatte sie sich ihre Wohnung eingerichtet und einen gebrauchten BMW gekauft. Es befriedigte sie, dass sie sich ihren Lohn nun tatsächlich verdienen konnte. Enttäuscht hörte sie eine Bandansage, die sie aufforderte, eine Nachricht zu hinterlassen. Sie gab eine kurze Zusammenfassung von ihrem Fund und legte auf. Einen Moment lang geriet sie in Panik, als ihr klar wurde, dass mit diesem Anruf ihre Einkommensquelle unbekannten Ursprungs möglicherweise versiegen konnte. Aber nach kurzer Überlegung erkannte sie lächelnd, dass das Jefferson-Dokument genauso gut der Beginn einer neuen und lukrativen Karriere für sie sein konnte.
Sie wäre nicht so optimistisch gewesen, hätte sie geahnt, dass ihr Anruf viel gefährlichere, vielleicht sogar tödliche Auswirkungen haben mochte. Genauso wenig erfreut wäre sie gewesen, hätte sie gewusst, dass in einem anderen Teil der Bibliothek der Amerikanischen Philosophischen Gesellschaft ihre Assistentin von ihrem Schreibtisch aus ebenfalls einen Anruf tätigte.
14
Austin saß auf einer Untersuchungsliege und ließ sich gerade von einem Schiffsoffizier, der gleichzeitig als medizinischtechnischer Assistent fungierte, die Rippen bandagieren, als sich die Tür zum Krankenrevier öffnete und Kapitän Lange mit Carina am Arm hereinkam.
»Ich habe diese junge Frau gefunden, als sie auf dem Schiff umherirrte«, sagte Lange zu Austin. »Sie hat mir erzählt, dass ihr ein Ritter in schimmernder Rüstung das Leben gerettet hat.«
»Die Rüstung hat ein paar Beulen abbekommen«, sagte Austin. Neben einer angeknacksten Rippe hatte er ein geschwollenes Gesicht und zerschrammte Fingerknöchel, die beim Erklettern der Strickleiter über den Rumpf geschrammt waren.
»Tut mir sehr leid, dass Sie verletzt sind«, sagte Carina.
Ihr Gesicht war an der Stelle geschwollen, wo sie der Filipino geschlagen hatte. Doch selbst mit der unförmigen Wange schien Carina eine beeindruckende Frau zu sein. Sie war langbeinig und schlank und hatte eine verwirrende physische Präsenz. Ihre zimtfarbene Haut brachte die blauen Augen unter perfekt geschwungenen Brauen zur Geltung. Das schulterlange schwarze Haar hatte sie aus dem Gesicht gestrichen.
»Danke«, sagte Austin, »es sind bloß ein paar Kratzer. Die Kugel hat mich nur gestreift. Ich bin eher besorgt um Sie.«
»Sehr freundlich. Ich habe mir eine Eiskompresse aufs Gesicht gelegt, damit die Schwellung zurückgeht. Die Mundhöhle ist ein bisschen wund, aber meine Zähne sind in Ordnung.«
»Da bin ich erleichtert. Sie werden Ihre Zähne nämlich brauchen, wenn wir zusammen essen gehen.«
Carina zeigte ein schiefes Lächeln. »Wir haben uns noch nicht einmal richtig miteinander bekannt gemacht, Mr. Austin.«
Austin reichte ihr seine Hand. »Bitte nennen Sie mich Kurt, Miss Mechadi.«
»In Ordnung, Kurt. Nennen Sie mich Carina. Woher kennen Sie meinen Namen?«
»Dieser Herr hier, der mich freundlicherweise verpflastert, sagte, Sie
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