Höllensog
nichts sagten. Niemand sprach mich an, die Blicke waren weder freundlich noch feindlich, sie hielten sich in einem neutralen Rahmen. Ich hoffte nicht, daß sie sich gegen mich stellten, weil ich ihnen möglicherweise einige Illusionen genommen hatte. Für mich stand fest, daß diese Welt kein Paradies war, denn dort, wo Gerry Giesen mitmischte, hatte das Böse eine besondere Stellung. Er war ein Widerling, ein dämonischer Mensch mit einem nahezu zwergenhaften Wuchs, einem großen Kopf und eben dieser häßlichen Lache. Er selbst hatte sich den Kampfnamen Doktor Horror gegeben, und er hatte in New York bei diesem Grusical bewiesen, wozu er fähig war.
Da hatte er den Weg nach Aibon gefunden, als einer der wenigen Menschen überhaupt. Ich aber ging davon aus, daß er sich für die böse Seite des Druidenlandes interessierte und sich dem mächtigen Herrscher Guywano unterworfen hatte.
Das waren die einzig logischen Gedanken in diesem Fall. Es konnte auch ganz anders sein, denn dieser Komet paßte einfach nicht in meine Rechnung. Daß wir uns praktisch in dessen Schweif befanden, wollte mir auch nicht in den Sinn. Da hatte sich eine eigene Welt aufgebaut. War sie tatsächlich ein Stück Aibon, gehörte sie dazu, oder war sie eventuell abgesplittert?
Ich wußte es nicht, doch ich hoffte, daß ich diese Fragen beantwortet bekam.
Noch stand nicht fest, was Doktor Horror mit den Menschen vorhatte.
Daß er nicht gerade zu den Menschenfreunden zählte, stand für mich ebenfalls fest, denn er benutzte sie nur wie die Figuren in einem Spiel.
Man konnte sich hier wohl fühlen. Nichts war mehr von der ehemaligen Enge zu sehen, aber es gab nicht nur Licht, auch Schatten. Ich hatte mich von den meisten Menschen entfernt und hörte plötzlich das leise Weinen einer Frau.
Augenblicklich blieb ich stehen.
Die Frau mußte sich versteckt haben, denn ich sah sie nicht. Ich wandte mich nach links, wo einige Sträucher standen. Dahinter bewegte sich etwas, das konnte ich durch die Lücken im Bewuchs erkennen. Ich bewegte mich um die Strauchgruppe herum. Das Weinen blieb, und nach dem nächsten Schritt sah ich die Person.
Es war eine schlicht gekleidete Frau, die mit gesenktem Kopf auf dem Fleck stand, weinte, sich dabei die Augen rieb und dann lautstark die Nase putzte. Mich hatte sie noch nicht gesehen. Von der Seite her näherte ich mich ihr vorsichtig und blieb neben ihr stehen. Erst als ich sie berührte, zuckte sie zusammen.
Aus verheulten Augen schaute sie mich an.
Ich fragte sie, was geschehen war. Wahrscheinlich war mein Russisch nicht gut genug, denn sie blickte mich verständnislos an. Deshalb wiederholte ich meine Frage. Die Frau zuckte vor mir zurück. Sie hatte plötzlich Angst bekommen.
Sie ging auch einige Schritte und blieb erst wieder stehen, als sie mein Lächeln sah. Sie ließ mich auch herankommen. Ich fragte noch einmal, was geschehen war. Diese Brocken kannte ich. In Rußland würde ich nicht verhungern, und es mochte auch die Sprache sein, die die Brücke des Mißtrauens abbaute. Plötzlich faßte sie mich an. Ihre Hand umklammerte meinen rechten Arm. Sie zog mich mit wie eine Mutter ihr Kind, und ich war sicher, daß sie mir etwas zeigen wollte. Ich folgte ihr, das heftige Atmen begleitete uns, und dann sah ich, was sie meinte und weshalb sie auch geweint hatte.
Wir waren um einige Bäume herumgelaufen. Die anderen Menschen befanden sich in der Nähe.
Ich sah den Grund, weshalb die Frau weinte. Und auch ich hatte Mühe, an mich zu halten.
Vor mir standen zwei Kühe.
Eigentlich normal, wie auch der Halbwüchsige, der die Kühe hüten sollte und mit ihnen zusammen in diese Magie hineingeraten war. Daß dieses Bild trotzdem nicht normal war, lag an ihrer Größe.
Beide Tiere und auch der Junge waren geschrumpft.
Irgendeine Kraft hatte sie tatsächlich zu Zwergen gemacht – und das wiederum war mir ebenfalls nicht neu…
***
»Was ist unmöglich, Suko?«
»Das Lachen?«
»Wieso? Es ist zwar seltsam und komisch, aber warum ist es dann unmöglich?«
»Es darf nicht sein.« Suko schüttelte den Kopf.
»Du kennst es also?«
»Ja.«
»Und du verbindest etwas damit, denke ich.«
»Damit verbinde ich tatsächlich etwas«, flüsterte Suko und nickte. »Es gibt nur einen, der eine derartige Lache aufzuweisen hat. Eigentlich haben wir angenommen, daß er tot ist, aber dem scheint nicht so zu sein. Er ist zurückgekehrt. Ich glaube kaum, daß jemand anderer diese Lache nachgeahmt hat.«
»Verdammt noch
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