Höllensog
Golenkow hochzerrte und ihn in die Arme seiner beiden Männer schleuderte, die den Typ abführten.
Zusammen mit zwei anderen machte sich Wladimir an die Durchsuchung der stickigen Wohnung. Auch der Tote wurde weggeschafft. Jetzt war es Aufgabe des Sonderkommandos, die entsprechenden Beweise zu finden, und Golenkow hoffte, daß er sie fand.
Unterlagen, die auf irgendwelche Kunden hinwiesen oder das angereicherte Material selbst.
Nichts zu sehen, nichts zu finden.
Die Männer traten die Schränke auf, sie schauten überall nach, und selbst in einer Aktentasche, dessen Futter durch Wladimir aufgefetzt wurde, fand er keine Beweise.
Er fluchte seinen Frust hinaus, aber er gab nicht auf, denn die Wohnung würde noch von Spezialisten des Erkennungsdienstes untersucht werden, da konnte es möglicherweise noch zu einem Ergebnis kommen.
Zwei blieben zurück, der Chef selbst verließ die Wohnung. Im unteren Flur stand der Gefangene. Sein Unterhemd war blutbefleckt. Einige Spritzer aus der Brust des Erschossenen hatten ihn erwischt, und Golenkow umfaßte mit zwei Fingern das Kinn des Mannes, um es an den Seiten zusammenzudrücken. »Wir werden euch kriegen, und mit dir machen wir den Anfang. Du wirst reden, das schwöre ich.« Der Mann schwieg.
Er stank nach Schnaps und Schweiß. Sein blondes Haar lag angeklatscht wie eine feuchte Perücke auf seinem Kopf, und in den Augen des Mannes leuchtete der kalte Mordwille.
Golenkow kannte die Typen, aber er wußte auch, wie er mit ihnen umzugehen hatte.
Der Mann wurde abgeführt.
Draußen wartete der Kastenwagen mit der schußsicheren Verkleidung.
In ihn stießen die Männer den Gefangenen. Er mußte sich bäuchlings auf den Boden legen.
Golenkow gab dem Fahrer das Zeichen zur Abfahrt. Der Mann würde in die Zentrale geschafft werden, wo sich Spezialisten mit ihm beschäftigten. Golenkow wollte später hinzukommen. Es war abgemacht, daß sie zuerst an seiner Wohnung vorbeifuhren, wo Wladimir noch einige Unterlagen holen wollte.
Über Moskau lag eine verfluchte Hitze. Da unterschied es sich nicht von dem übrigen Europa. Die Stadt dampfte, und sie erstickte beinahe an ihrem eigenen Dreck und an den Abgasen.
Golenkow lebte in einem kleinen Apartment. Es war eines von vielen in einem gewaltigen Hochhaus, wo Menschen dicht wie die Bienen aufeinander hockten und gerade bei der Hitze sich die Emotionen oft in Streitigkeiten und Gewalt entluden.
Vor dem Haus standen die Autos neben den Müllcontainern, die ebenfalls überquollen.
Es waren zumeist alte Wagen, für die sich die Auto-Mafia nicht mehr interessierte. Golenkow stieg aus und geriet wieder in die stickige Schwüle der Nacht, die besonders zwischen den Hochhäusern wie eine dichte Wand stand.
Jugendliche lungerten im Freien herum. Sie tranken und krakelten.
Wladimir hatte sich längst daran gewöhnt. Das waren die negativen Seiten der großen Umkehr.
Er ging auf den Eingang zu. Daß er angerempelt wurde, war ihm egal.
Die große Tür stand offen. Im Hausflur lungerte niemand herum, bis auf ein junges Mädchen, das mit blutigem Gesicht und angezogenen Knien auf dem Boden hockte und froh darüber war, sich mit dem Rücken an der Wand abstützen zu können. Wladimir blieb vor ihr stehen. Er fragte die Kleine, ob er ihr helfen könnte.
»Nein, hau ab, verschwinde!«
»Entschuldige, daß ich geboren bin.«
Sie lachte nur.
Er wandte sich ab und ging zum Fahrstuhl. Es tat ihm leid um die Kleine.
Wahrscheinlich war sie von ihrem Zuhälter verdroschen worden, der sie auf den Strich geschickt hatte. Und da hatte sie wohl nicht genug angeschafft. Er mußte noch auf den Lift warten, der zum Glück funktionierte, denn Wladimir hatte keine Lust, bis zum sechsten Stock hochzugehen.
Im nächsten Augenblick hörte er eine Stimme. Sie klang noch jung, halb männlich und sagte seinen Namen. »Wladimir Golenkow? Bist du es? Bist du Wladimir?«
Der Mann drehte sich zur Seite.
Aus dem Dunkel der Flurwand löste sich eine Gestalt. Schon jetzt erkannte der Russe, daß es kein ausgewachsener Mann war, mehr ein Junge, der zögernd herankam. »Ich habe auf dich gewartet.«
»Wie schön.« Golenkow war mißtrauisch. Seine Hand befand sich nicht weit von der Waffe entfernt. Man konnte nie wissen, und Feinde hatte er genug. »Wer bist du denn?«
»Gregor.«
»Wie bitte?«
»Gregor Smirnow, du kennst mich doch sicher.« Der Junge trat näher, und Wladimir wußte plötzlich, daß von ihm keine Gefahr drohte. Das hatte er im
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