Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)
Dunkelheit.
Wieder rann etwas Nasses an meinem Bein hinunter. Ich machte mir in die Hose. Es war entsetzlich demütigend, wie ein Stück Schlachtvieh hier hocken zu müssen. Ich sackte zusammen, vollkommen entkräftet. Ringsum lachten die Piraten verächtlich.
Das ist das Ende , dachte ich. Es ist vorbei . Und irgendwo tief im Innern fühlte ich sogar Erleichterung. Ich wünschte mir, die Navy würde jetzt einfach mit dieser Kanone Kaliber .50 das Feuer eröffnen und die Sache zu Ende bringen. In diesem Moment war es mir vollkommen egal, ob ich dabei ums Leben kam – ich wollte die Sache nur einfach hinter mich bringen. Die Frustration hatte mich endlich überwältigt. Ich war bereit für das Ende.
Aber dann dachte ich an meine Familie. Nein – ich musste durchhalten.
Meine Gedanken liefen gleichzeitig in zwei verschiedene Richtungen. Einerseits war ich überzeugt, dass mich die Piraten jetzt umbringen würden – andererseits glaubte ich das nicht. Und ich wollte, dass die Sache endlich vorüber war, aber gleichzeitig wollte ich am Leben bleiben, und wenn es nur fünf Minuten waren. Ich glaube, was mich wirklich vollkommen verwirrte, waren die Gründe für das Verhalten der Piraten. Warum versuchen sie ständig, mich vollkommen einzuschüchtern?, fragte ich mich . Ich habe doch keinerlei Einfluss darauf, ob sie das Lösegeld bekommen. Worum geht es ihnen eigentlich? Ist das alles am Ende vielleicht doch nur eine Art Test?
Dann hörte ich, dass sich jemand hinter mir bewegte. Es war immer noch so dunkel, dass ich nicht ausmachen konnte, wer es war. Er fing wieder an, Leerschüsse mit seiner AK-47 abzugeben, dann befahl er mir aufzustehen. Ich kam taumelnd hoch, versuchte mich aufrecht zu halten. Das Klicken der Leerschüsse kam im Rhythmus der Rollbewegungen des Bootes nach Steuerbord. Es war ein eigenartiger Tanz. Und er schien drei Stunden lang zu dauern. »Setz dich!«, riefen sie schließlich.
Ich war bereit für den Tod. Ich drückte den Rücken durch und setzte mich, so aufrecht ich konnte. Schweiß lief mir über das Gesicht. Mein Magen hatte sich verkrampft, ich fühlte mich, als hätte ich an den Vier Ecken in der Massachusetts Maritime Academy gerade dreihundert Sit-ups hinter mich gebracht.
»Militärische Haltung, seeehr gut!«, spottete der Anführer.
So ging es stundenlang weiter. Ich saß oder stand taumelnd, um für einen würdigen Tod bereit zu sein, während das ständige Klick! Klick! Klick! wie ein Metronom weiterging.
Schließlich hatte ich genug.
»Gib das verdammte Ding jemandem, der damit umgehen kann!«, sagte ich und ließ mich schweißgebadet auf den Stuhl fallen. »Mir reicht’s. Macht verdammt noch mal endlich, was ihr wollt.«
Der Anführer betrachtete mich vom Cockpit aus. »Okay, das reicht. Keine Aktion mehr heute Nacht, keine Aktion.« Die anderen Somalis entspannten sich. Fast spürbar löste sich die Spannung im Boot.
Aber für den Rest der Nacht begannen sie mit einer Reihe neuer Rituale. Sie zielten mit der Waffe auf mich und befahlen mir, von einem Sitz zum anderen zu wechseln, diesen Gegenstand – einen Stofffetzen, ein Beil – aufzuheben und hierhin oder dorthin zu legen. Sie schlugen mich, sobald meine halal-Fessel den Boden berührte. Auf keinen Fall durfte ich meine Fesseln über den Boden schleifen lassen. Und die ganze Zeit nannten sie mich »Tier… verrückt… typisch Amerikaner.« Es war, als sei ich vollständig unrein und als versuchten sie, mich durch diese Zeremonien wieder rein zu machen. Und so hüpfte ich von einer Stelle zur anderen, immer noch eng gefesselt. Einmal fiel ich voll auf den Boden, als das Boot in einer Welle heftig krängte.
Als der Morgen anbrach, dachte ich: Noch so einen Tag werde ich nicht durchstehen. Etwas musste geschehen.
SIEBZEHN
Tag 5, 3.00 Uhr
»Die meisten Geiselnahmen, die wir vor dem Horn von Afrika erleben mussten, endeten damit, dass Lösegelder gezahlt und die Geiseln unverletzt freigelassen wurden. Doch erst gestern endete eine dieser Pattsituationen mit Todesopfern. Französische Geiseln wurden nach fast einwöchiger Gefangenschaft befreit… Es handelte sich um vier Erwachsene und ein Kind. Sie hatten sich an Bord einer Jacht befunden, die am Samstag im Golf von Aden entführt worden war. Bei der Befreiungsaktion starben eine Geisel und zwei Piraten. Drei weitere Piraten wurden gefangen genommen. Die französische Militäroperation wurde eingeleitet, nachdem die Piraten mehrere Angebote ausgeschlagen
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