Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)
Teil eines Teams. Aber dieses Mal war es anders. Ich verspürte den Drang nicht mehr so stark, alles auf meine Weise machen zu wollen. Hier gab es einen bestimmten Lebensstil und Traditionen. Sogar eine Art von Freiheit, wenn man lange genug durchhielt. Und ich wollte zu denen gehören, die durchhielten.
In der Akademie hörte ich auch zum ersten Mal Geschichten über die Handelsmarine: Dass amerikanische Seeleute auf Kaperschiffen im Unabhängigkeitskrieg zehnmal mehr Schiffe kaperten oder versenkten als die US-Navy, und dass tausend Seeleute, die aus einer einzigen Stadt in Massachusetts stammten, im Kampf gegen die Briten verschwanden. Oder wie die Korsaren Handelsseeleute kidnappten und verkauften, so dass sie »das schreckliche Schicksal der Mohrensklaverei erleiden« mussten. Oder wie Piraten im »Spanish Main« (also in den um den Golf von Mexiko und die Karibik liegenden Teilen des spanischen Kolonialreichs) Seeleute gefangen nahmen, sie bis aufs Hemd ausraubten, in die Laderäume sperrten und das Deck in Brand steckten. Wie sich die junge amerikanische Nation eigentlich auf Holzschiffen gründete, die aus Häfen wie Salem in die entlegensten Weltteile segelten, von Cádiz bis zur Antarktis, und alles transportierten, von Erzen über Schießpulver, Goldstaub und chinesischer Seide bis hin zu, ja, zugegeben, afrikanischen Sklaven. Die Handelsmarine war immer zuerst da – auf Java, Sumatra, den Fidschi-Inseln. Wir markierten die Schifffahrtswege über alle Meere. Und die Navy segelte hinter uns her. Solche Dinge lernte man auf der MMA.
Aber natürlich lernten wir nicht nur Marinegeschichte. Die Seniors fuhren auf Handelsschiffen hinaus, und wenn sie mit prallvollen Taschen zurückkamen, erzählten sie uns von den fantastischen Frauen in Venezuela oder der Schlägerei in Tokio, bei der eine ganze Bar kurz und klein geschlagen wurde. Piraten tauchten in diesen Geschichten immer wieder auf, wenn frisch ernannte Kapitäne darüber schwatzten, wie schlecht die Dinge jetzt in der Straße von Malakka stünden oder wie man am besten Banditen in Kolumbien abwehren konnte. Bei diesen Burschen klang jede Geschichte so, als hätte sie Robert Louis Stevenson geschrieben.
Ich konnte es kaum erwarten, hinauszufahren und all das selbst zu erleben.
DREI
- 7 Tage
»Die Branche ist der Auffassung, dass es nicht Aufgabe der Reedereien sein kann, die Besatzungen ihrer Schiffe für den Gebrauch von Schusswaffen auszubilden oder sie zu bewaffnen. … Wenn man das Feuer eröffnet, wird es womöglich erwidert. Die Besatzung könnte verletzt oder getötet werden, ganz zu schweigen von der Beschädigung des Schiffs.«
Giles Noakes, Chief Maritime Security Officer for BIMCO (ein internationaler Verband von Schiffseignern)Christian Science Monitor, 8. April
D er erste Tag nach der Abfahrt aus Salala verlief reibungslos. Auf der Route entlang der Ostküste der Arabischen Halbinsel zum Golf von Aden kamen wir gut voran. Ich hoffte, dass es so bleiben würde.
In meinem Nachtbefehl machte ich die Besatzung mit der Standardprozedur für einen Piratenüberfall bekannt, die die Mates lesen und praktisch umsetzen mussten. Aber das war nur ein Leitfaden auf Papier. Ich musste mir selbst ein Bild davon machen, wie die Crew im Ernstfall reagieren würde. Von Salala bis Dschibuti braucht ein Schiff vier Tage, aber an diesem ersten Tag waren alle erschöpft. Auf einem Schiff ist es wie im Mutterleib: Das Wasser rauscht mit gurgelnden Geräuschen vorbei, man hört ständig den gleichmäßigen Rhythmus des Motors, man spürt die Vibration der Schraube durch das ganze Schiff. Deshalb lieben Seeleute den ersten Tag auf See. Man lässt die Probleme hinter sich und fügt sich wieder in diese angenehme Welt ein, die einem so vertraut ist. Schlecht daran ist jedoch, dass man sich allzu leicht von einem Gefühl der Sicherheit einlullen lässt. Bevor wir nicht auf hoher See waren, wollte ich die Besatzung nicht mit den Sicherheitsmängeln konfrontieren, die ich bemerkt hatte. Aber wir nahmen nun einmal Kurs auf eines der gefährlichsten Gewässer der Welt, und ich wollte mein Schiff darauf vorbereiten.
Am Morgen des 2. April stieg ich zur Brücke hinauf und holte mir eine Tasse Kaffee. Der Radarschirm zeigte keine Signale. Ich wandte mich an Shane, den Ersten Offizier, der seit 4.00 Uhr auf der Brücke gestanden hatte. Wir besprachen die Planung für den Tag, wie viele Überstunden benötigt würden, an welchen Projekten er gerade arbeitete. Ziemlich
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