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Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Titel: Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Captain Richard Phillips , Stephan Talty
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Frau, wenn sie kommt.«
    Andrea kam immer in ihrer Mittagspause und setzte sich auf die Bettkante. In einer solchen Pause erzählte ich ihr, dass ich nur an sie und an sonst nichts hatte denken können, als ich nach dem Unfall auf der Trage lag. Dann fügte ich hinzu: »Na gut, vielleicht sollte ich dich fragen, ob du mich heiraten möchtest.«
    »Ja«, sagte sie, »vielleicht solltest du das.« Und das tat ich dann auch.
    Aber ich ging nicht vor ihr in die Knie.
    So verschieden wir auch sein mögen, wir haben doch eine Menge Gemeinsamkeiten. Wir stammen beide aus Großfamilien und fühlen uns in dem Chaos recht wohl, das in großen Familien herrscht. Ich bin der ruhige Ire mit stabilen Nerven, Andrea ist die emotionale Italienerin. Wenn sie wegen irgendwas ausflippt, zum Beispiel weil sie ihren Schlüsselbund nicht findet, bleibe ich ganz ruhig sitzen und sage nur: «Okay, sag’ mir, wenn du dich abgeregt hast.«
    »Rich bringt mich auf den Boden zurück«, sagt sie. »Er lacht mich aus, wenn ich mich wirklich lächerlich mache, aber er passt auch genau auf, was ich sage, wenn ich es von ihm verlange.«
    Andrea sagt gerne, dass ich ihr Fels in der Brandung sei. »Ich weiß, es klingt wie ein kitschiger Spruch aus einem Film, aber er ergänzt mich.«
    Seeleute sind von Natur aus abergläubisch. Zum Beispiel bedeuten Delphine bei Sonnenaufgang, dass der Tag gut wird. Rotschöpfe, Pfaffen, frische Blumensträuße bringen Unglück, und man darf auch niemals das Schiff mit dem linken Fuß zuerst betreten. Das Leben eines Seemanns wird vom Wetter diktiert, von den Gezeiten durch die Anziehungskraft des Mondes, von Stürmen, die sich in irgendeiner Ecke Afrikas zusammenbrauen. Und jeder Seemann hat auch seine persönlichen Unglücksreviere. Bevor ich Fahrten durch den Golf von Aden machte, war meine persönliche Unglücksgegend immer die Biskaya gewesen, ein höllischer Golf zwischen der Bretagne und der Nordküste Spaniens. Der Kontinentalschelf verläuft unter der Bucht, weshalb dieses Seegebiet nicht sehr tief ist. Und seichte Gewässer sind immer auch eins – nämlich stürmisch. Dieser verdammte Teil des Atlantiks war für mich wie ein Fluch: Fast jedes Mal, wenn ich durch die Biskaya fuhr, wütete ein Sturm über mir, der mir unvergesslich blieb.
    Einmal befand ich mich auf der Route von Nordheim in Deutschland nach Sunny Point, North Carolina in den USA. Wir hatten eine Menge Munition für die US-Armee geladen. Unten in den Laderäumen lagen Millionen Patronen und 250-Kilo-Bomben und Kisten voller Munition und allen möglichen Sprengstoffen. Aber das Schiff selbst war praktisch ein Wrack; die Beplankung, die verhindern soll, dass die Fracht bei rauem Seegang gegen die Stahlbordwände kracht, war längst zerbrochen und nutzlos, der Steuerbordanker war außer Betrieb und so ziemlich alle anderen Dinge auf diesem Schiff waren entweder völlig kaputt oder dabei auseinander zu fallen Der Eigner hatte erst kürzlich die Heuer gesenkt, und die Crew war verbittert und unterbezahlt. Es war eine schlimme Situation, aber eine, bei der man lernen kann, wie man eine Katastrophe bewältigt.
    Als wir mitten im Golf waren, kam ein heftiger Sturm auf; gleichzeitig fiel unser Antrieb aus. Die Maschine blieb einfach stehen, das Schiff ließ sich nicht mehr steuern. Wie ein Korken wurden wir in der Biskaya herumgeschleudert. Ich hörte ein heftiges Krachen unten im Laderaum, selbst auf der Brücke spürte ich die Erschütterung. Ein Teil der Fracht musste sich im Laderaum losgerissen haben.
    Der Sturm wurde von Minute zu Minute stärker, und das Schiff krängte heftig. Ich warf einen Blick auf den Neigungswinkelmesser, ein Pendelinstrument, das die Schräglage in Graden misst, und sah, dass wir 40 Grad Krängung hatten. Eine solche Schlagseite hatte ich bei einem Schiff dieser Bauart noch nie erlebt. Niemals. Wir waren nahe dran, Schildkröte zu spielen – voll zu kentern und unterzugehen. Die losgerissenen Teile der Fracht verlagerten den Schwerpunkt des Schiffs zur Seite hin. Noch ein paar Grade mehr, und die gesamte Fracht würde nach Back- oder Steuerbord verrutschten und uns mit sich ins nasse Grab reißen.
    Ich machte mich auf den Weg zum Maschinenraum. Als ich den Mittelgang entlang rannte, bemerkte ich auf der rechten Seite etwas Seltsames. Ich blieb stehen, ging ein paar Schritte zurück. Dort hockte ein Teil der Besatzung eng beieinander, sieben Männer in Rettungswesten, die aussahen wie die letzten Passagiere der Titanic

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