Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)
Anführer, der im Heck döste. Ich konnte nur seine dünnen Beine sehen, die er auf dem Boden ausgestreckt hatte. Sie schafften es nicht, den Kerl aufzuwecken. Egal wie oft sie ihn auch anstießen, er schnarchte einfach weiter. Schließlich gaben sie auf, und einer sagte: »Okay, dann töten wir ihn eben später.
Mann , dachte ich , die schaffen es nicht mal, den Burschen aufzuwecken, um mich hinzurichten.
Die Zeit kroch dahin. Ich war aufs Äußerste angespannt und wartete nur auf den nächsten Versuch einer zeremoniellen Tötung. Und die Episode mit den Unterhändlern – zumindest glaubte ich, dass es Unterhändler waren – ging mir nicht aus dem Sinn.
Dann hörte ich Hubschrauber näherkommen, das typische Klapp-klapp-klapp der Rotorblätter. Ich spürte sogar, dass sie in der Luft über uns stehen blieben, denn der Abwind ihrer Rotoren wühlte die See auf, und die Wellen brachten das Boot zum Schaukeln. Gischt sprühte durch die offenen Luken ins Boot. Ich dachte, Wow, sie müssen verdammt nahe sein, wenn sie so viel Wasser aufwirbeln. Später erfuhr ich allerdings, dass die Gischt von den Wasserwerfern der Bainbridge stammte – sie waren dicht neben uns längsseits gegangen und hatten die gewaltigen Wasserstrahlen auf uns gerichtet, um uns daran zu hindern, Kurs auf die somalische Küste zu nehmen. Allerdings interessierte mich in diesem Moment nicht, warum sie das machten – das Wasser brachte Erfrischung, es war fast, als würde man sich am heißesten Tag des Jahres unter den Rasensprenger stellen. Ich dachte nur, Oh, bitte nicht aufhören. Das ist himmlisch.
Der Anführer war aufgesprungen; er war eindeutig nervös. »Keine Aktion, keine Aktion!«, schrie er ins Funkgerät. »Keine Militäraktion, keine Militäraktion!«
Durch die Hecktür konnte ich eine Hubschrauberkufe über dem Boot schweben sehen. Das war irgendwie surreal. Das Ding war höchstens drei, vier Meter von mir entfernt; wenn ich hätte hochspringen können und es zu fassen bekommen hätte, wäre ich frei gewesen.
»Okay, wir töten jetzt die Geisel.«
Mein Blick zuckte zum Anführer zurück. Er redete mit angespannter Miene ins Funkgerät.
Und die Hubschrauber flogen davon. Der Rotorenlärm wurde schwächer. Ich hatte eigentlich nicht erwartet, dass sich ein paar Navy SEALs abseilen und das Boot stürmen würden. Das wäre eine Selbstmordaktion gewesen – und ich wäre dabei ebenfalls draufgegangen. Aber ich vermisste die kühle Sprühdusche, als die Hubschrauber davon flogen, und den Piraten ging es nicht anders.
Die Piraten fingen wieder mit ihrem Nonsens an.
»Es gibt keine Piraten in Somalia«, sagte Tall Guy. »Alles nur von den Medien erfunden. Wir wurden von der Navy und dem Sicherheitsmann deiner Reederei angeheuert, und dein Mate und dein Ingenieur wussten Bescheid.«
Tall Guy wollte mir sogar weismachen, sie hofften auf einen Navy-Auftrag zum Betrieb von Radarbaken, einer Art elektronisches Leuchtfeuer, vor der somalischen Küste. Er lud mich ein, ebenfalls mitzumachen. »Klar«, witzelte ich. »Dann darf ich sechs Monate lang im Golf von Aden mit euch zusammenarbeiten!«
Obwohl ich natürlich wusste, dass das alles nicht stimmte, sehnte sich ein winziger Teil meines Verstands danach, ihnen glauben zu dürfen. Ich dachte, Vielleicht ist die Hitze daran schuld, dass ich zu halluzinieren beginne. Vielleicht ist das alles wirklich nur eine Übung.
»Sagt mal«, fragte ich, »in der Nacht, bevor ihr aufs Schiff kamt, hörten wir jemanden über Funk sagen, ›Somalischer Pirat, somalischer Pirat‹. Wart ihr das?«
Der Anführer nickte.
»Yeah. Das war ich. ›Somalischer Pirat! Somalischer Pirat! Ich komme und fange dich!‹«, sagte er, und es klang genau wie die Stimme über Funk.
»Clever«, sagte ich.
»War ein toller Spaß, als das Schiff plötzlich versuchte abzuhauen. Euch Burschen kann man so leicht Angst einjagen!«
»Macht ihr das immer so?«
»Yeah, immer. Das Schiff fängt an zu manövrieren, die Wasserwerfer werden eingeschaltet, dann auch die Lichter. Wir schauen zu und lachen uns kaputt.«
Die anderen Piraten fanden das zum Brüllen komisch.
»Und wie viel Lösegeld wollt ihr haben?«, fragte ich weiter.
»Was glaubst du?«
»Keine Ahnung. Aber die Amerikaner werden euch kein Geld für mich geben. Keinen Cent. Das müsste euch doch klar sein! Ihr werdet auf diesem Boot sterben, zusammen mit mir. Wenn ihr mich nicht freilasst.«
Der Anführer starrte mich wohl eine volle Minute lang
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