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Höllental: Psychothriller

Höllental: Psychothriller

Titel: Höllental: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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vorherigen Schule, hatte Ricky sich ziemlich aufgespielt. Richard Schröder, Sohn des erfolgreichsten Immobilienmaklers von Augsburg, aufgewachsen mit allen Privilegien und Ansprüchen, die Geld mit sich brachte, hatte andere Menschen schon immer wie Untergebene behandelt, ein Verhalten, das er sich von seinem Vater abgeguckt hatte.
    Und aus irgendeinem Grund, den Bernd sich lange nicht erklären konnte – ehrlicherweise konnte er es schon, wollte diesen bitteren Beigeschmack aber einfach vermeiden –, hatte der nicht übermäßig kluge, aber doch smarte und geachtete Ricky Schröder den Loser Bernd Lindeke noch in der ersten Woche zu seinem Freund erkoren. Niemand anders hätte das getan, nicht an diesem Elitegymnasium, auf das sein Vater Bernd unbedingt hatte schicken wollen. Nur durch Rickys Freundschaft war Bernds Schulzeit dort erträglich, ja zeitweise sogar cool gewesen. Er verdankte ihm also eine Menge. Zumindest hatte Bernd das so empfunden. Dafür durfte Ricky ihn spätabends noch anrufen und um die Hausaufgaben für den nächsten Tag bitten. Insofern war es eine Win-win-Situation gewesen, eigentlich ganz in Ordnung, aber es hatte Spuren hinterlassen. Bernd fühlte sich Ricky immer noch unterlegen, obwohl er selbst mittlerweile studierte, Ricky hingegen nicht einmal das Abi geschafft hatte. Immerhin hatte er aber eine Ausbildung bei einer angesehenen Bank gemacht und verdiente jetzt in der Firma seines Vaters ganz gut, was er durch seine Kleidung, seine Wohnung und seinen Wagen auch jeden wissen ließ.
    Sein heutiges Verhalten war typisch für ihn. In erster Linie ging es um ihn, um seine Belange, sein Befinden.
    »Ihre Eltern sind total fertig«, sagte Bernd in der Hoffnung, doch noch etwas Anteilnahme aus Ricky herauslocken zu können.
    Doch der schien kaum zuzuhören. Er öffnete die Schranktür, gegen die er eben noch geboxt hatte, und holte eine nur noch zur Hälfte gefüllte Flasche Johnnie Walker sowie zwei Gläser hervor.
    »Willst du auch?«, fragte er.
    Bernd schüttelte den Kopf.
    »Dann nicht.« Ricky goss ein Glas zur Hälfte voll, stellte die Flasche auf dem Tisch ab, ohne sie zu verschließen, trank dann einen Schluck und verzog das Gesicht, als litte er unter einem Magengeschwür.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte Bernd, der einfach nicht stillstehen konnte. Seit er vor ein paar Minuten bei Ricky geklingelt hatte, lief er ununterbrochen in dessen Küche auf und ab. Er war kaum in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen.
    Erst vor zwei Stunden hatte er es von seiner kleinen Schwester Valerie am Telefon erfahren. Valeries Freundin Isabell wohnte ein Haus neben den Waiders und war als Hundesitterin eingesprungen, als die Eltern unterwegs gewesen waren, um ihre Tochter zu identifizieren.
    Bernd konnte sich an die unmittelbare Zeit nach dem Anruf nicht erinnern. Dort klaffte ein schwarzes Loch von mindestens einer Stunde. Die absolute Leere darin jagte ihm eine Heidenangst ein.
    Seine Erinnerung setzte erst wieder ein, als er aus dem Bus gestolpert und auf den Gehweg gestürzt war. Er hatte sich zwar noch mit den Händen und Knien auffangen können, aber Schürfwunden an den Handinnenflächen davongetragen. Außerdem schmerzten seine Knie.
    Bewusst wahrgenommen hatte er zuerst wieder das Gesicht des jungen Mädchens in der Bushaltestelle, das ihn entsetzt, vielleicht sogar mit ein wenig Ekel im Blick angesehen hatte. Statt ihm aufzuhelfen, hatte sie einen großen Bogen um ihn gemacht und war in den Bus geflüchtet. Irgendjemand hatte gekichert. Die Situation war an Peinlichkeit nicht zu überbieten gewesen. Wahrscheinlich hielten die Leute ihn für einen Junkie.
    Von der Bushaltestelle war er mit schmerzenden Knien drei Kilometer zu Fuß durch die Stadt gelaufen. Ohne die feste Absicht war er doch direkt bei Ricky gelandet. Immer noch zu Ricky, seinem Aufpasser, der auf alles eine Antwort hatte und nie um eine Lösung verlegen war.
    Aber jetzt sah er einen anderen Ricky vor sich. Einen wütenden, Alkohol trinkenden und auf eine gehetzte Art verzweifelt wirkenden Ricky. Bernd ahnte, dass er sich in diesem speziellen Fall nicht auf die Hilfe seines Freundes verlassen sollte.
    »Wissen die anderen schon davon?«, fragte Ricky.
    Er hatte diese gerade Falte zwischen den Augenbrauen, die sich immer dann zeigte, wenn er intensiv nachdachte. Während ihrer Gymnasialzeit hatte Bernd sie dauernd gesehen. Rickys Finger klimperten gegen das Glas. Für einen Mann hat er viel zu lange Nägel, dachte

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