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Höllental: Psychothriller

Höllental: Psychothriller

Titel: Höllental: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Marmolada, dem höchsten Berg der Dolomiten. Das Foto war nach der Besteigung über den Westgrat entstanden. Mara erinnerte sich genau. Es war vor zwei Jahren gewesen. Sie hatten wunderbares Wetter gehabt. Sonnenschein und blauen Himmel und vom Gipfel aus eine atemberaubende Fernsicht. Beim Stausee im Tal hatten sie gezeltet und waren früh aufgebrochen. Es war eine harmonische Tour gewesen, bei der alles gepasst hatte.
    Es war ein Bild aus besseren Tagen, als alles noch in Ordnung gewesen war.
    Laura stand zwischen ihr und Ricky. Die beiden waren damals schon zusammen gewesen. Für Mara war es nicht verwunderlich gewesen, dass die beiden zueinandergefunden hatten. Laura war jemand, der einen starken Menschen brauchte. Jemanden, der führen konnte und wollte. Ricky war so jemand. Er genoss es, der Erste zu sein, vorn zu stehen, den Ton anzugeben. Entscheidungen zu treffen. Deshalb waren er und Mara regelmäßig aneinandergeraten. Maras Dickkopf und ihr Freiheitswille waren viel zu ausgeprägt, um mit jemandem wie Ricky problemlos klarzukommen. Laura jedoch hatte Ricky angebetet. Sie hatte alles für ihn getan, bis zur Selbstaufgabe. Mara hatte ihre Freundin hin und wieder damit aufgezogen und ihr vorgeworfen, sich unterdrücken zu lassen. Aber davon hatte Laura nichts hören wollen. Sie liebte Ricky heiß und innig, und wenn Laura liebte, dann mit allem, was sie zu geben hatte. Jemand wie Ricky hatte ein solches Mädchen überhaupt nicht verdient.
    Laura war eine Schönheit. Sehr weiblich, sehr anmutig. Mit langem blondem Haar, einem ebenmäßigen Gesicht und einer tollen Figur. Sie war der Typ Frau, nach dem sich die Männer automatisch umdrehten. Ganz anders als Mara selbst. Sie war eher der burschikose Typ. Ihren schlanken Körper formten Muskeln, nicht weibliche Rundungen. Ihr Gesicht war ein wenig kantig, das Kinn etwas zu stark ausgeprägt, die Augenbrauen zu dick. Egal, was sie anzog, sie wirkte immer wie die Läuferin auf dem Weg zum Training. Zu feminin zu sein würde ihr nie jemand vorwerfen.
    Zu dem Zeitpunkt, als das Foto aufgenommen worden war, war sie mit Armin Zoltek zusammen gewesen. Auf dem Foto stand er rechts von ihr und hatte seinen Arm auf ihre Schulter gelegt. Sein Lächeln war unwiderstehlich. Es berührte auch heute noch etwas in ihr, obwohl sie nicht mehr mit ihm zusammen war. Armin war ein Fake. Er war gar nicht der gelassene, ruhige Naturtyp, für den sie ihn gehalten hatte. Armin war eigentlich gar nichts. Eine schöne Hülle ohne Inhalt. Er hatte nie eine eigene Meinung, war immer nur Mitläufer und mit wenig zufrieden. Er stritt sich auch nie.
    Das Foto zeigte erschöpfte, aber glückliche junge Menschen. Freunde, die sich vertrauten. Nichts an dem Foto wies darauf hin, dass es mit diesem Vertrauen schon bald vorbei sein würde. Kein Schatten, keine Wolke, kein falscher Blick. Außer vielleicht der von Bernd Lindeke. Ihr fünftes Rad am Wagen. Ihre Clique hatte aus zwei Pärchen und ihm bestanden. Mara hatte schon früh bemerkt, wie sehr Bernd in Laura verschossen gewesen war. Er hatte nie etwas gesagt, aber wer ein bisschen Menschenkenntnis besaß und beobachten konnte, der hatte es gesehen. Seine betont unauffälligen Blicke, die dunkel und sogar ein wenig böse gewesen waren, wenn Ricky und Laura mal wieder vor aller Augen rumgemacht hatten. Knutschen wäre ja noch in Ordnung gewesen, aber Ricky hatte ihr sogar in der Öffentlichkeit unters Shirt an die Brust gefasst, und Laura hatte es geschehen lassen. Mara hatte das einfach nur als peinlich empfunden, aber für Bernd musste es die Hölle gewesen sein.
    Jemanden zu lieben, still und heimlich, ihn dauernd zu sehen, ihm beim Klettern oder im Auto nahe zu sein, ihn sogar riechen und fühlen zu können und doch zu wissen, dass es niemals intime Nähe geben würde, musste einfach unerträglich sein.
    Während Mara das Foto betrachtete, fragte sie sich, ob der Keim der Zerstörung damals nicht doch schon vorhanden gewesen war. In ihnen allen.
    Tränen tropften auf das Glas.
    Sie wischte sie mit dem Handrücken fort und legte das Bild auf dem Tisch ab.
    Lauras letzte SMS kam ihr wieder in den Sinn.
    Hinauf!
    Sie musste sie kurz vor ihrem Tod abgeschickt haben, vielleicht sogar von der Brücke aus. Dadurch bekam sie eine noch schwerwiegendere Bedeutung.
    Mara strich mit der Kuppe ihres Zeigefingers an der Stelle übers Glas, an der sich das Gesicht ihrer Freundin befand.
    »Was wolltest du mir sagen?«, fragte sie mit leiser,

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