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Höllental: Psychothriller

Höllental: Psychothriller

Titel: Höllental: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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niemand bezahlte. Heute dauerte sie sogar noch zehn Minuten länger, weil in seiner Kasse zwölf Euro fehlten und trotz dreimaligen Nachzählens nichts auftauchte. Ein Fehlbetrag. Verdammt ärgerlich! Wahrscheinlich hatte er in seiner Unkonzentriertheit ein paarmal falsch herausgegeben. Diese zwölf Euro würde der Chef ihm vom Lohn abziehen.
    Als er gegen halb neun nach draußen trat, hatte er den Golf, der irgendwann weg gewesen war, vergessen. Der Himmel war sternenklar, die Temperatur lag nur knapp über dem Gefrierpunkt. Armin blieb hinter der Waschhalle im Dunkeln stehen, legte den Kopf in den Nacken und atmete tief ein und aus. Die Kopfschmerzen waren verschwunden, die Fahrigkeit auch, er fühlte sich so weit eigentlich wieder in Ordnung. Er hatte eine Entscheidung getroffen.
    Er würde Richard Schröder das Geld nicht zurückzahlen. Weder jetzt noch irgendwann. Das meiste davon war ohnehin für Bergtouren draufgegangen. Touren, die Ricky ohne ihn nicht hätte unternehmen können, also ließ es sich mit etwas gutem Willen als Bergführerlohn bezeichnen. Ricky war nie gut genug gewesen für die Viertausender, er hatte immer Hilfe und Antrieb gebraucht. Diese Gnade, dort oben stehen zu dürfen, hatte er nur ihm zu verdanken, insofern ging das wohl in Ordnung. Eigentlich war er sogar noch unterbezahlt.
    Mit wesentlich besserer Laune als noch am Nachmittag schwang Armin sich auf sein Mountainbike – leider auch von einem Schröder-Kredit gekauft – und trat in die Pedale. Da er aus dem gut geheizten Laden kam, fror er praktisch sofort. Seine Jacke war zwar winddicht, aber zu dünn, Schal und Handschuhe hatte er vergessen. So langsam wurde es Zeit, den Winter zu akzeptieren.
    Er fuhr über die kleine Südbrücke in die Stadt. Menschen waren kaum noch unterwegs, Autos nur wenige. Sein Weg führte ihn am Theater, am Kino und der katholischen Kirche vorbei. Er vermied es, durch die Innenstadt zu fahren, da in der Fußgängerzone häufig betrunkene Typen abhingen, die nicht selten streitlustig waren. Da spielte auch die eisige Temperatur keine Rolle; die waren immer da.
    Also fuhr er einen kleinen Umweg. Er fuhr schnell, so wie immer, und nach zehn Minuten war ihm unter der Jacke bereits wieder warm. Rote Ampeln missachtete er, eine Einbahnstraße fuhr er in falscher Richtung, aber wen interessierte das schon.
    Fünfzehn Minuten nach dem Aufbruch an der Tankstelle erreichte Armin die Abzweigung zur Husarengasse, in der seine Wohnung lag. Bis dahin waren seine Finger durchgefroren, und seine etwas zu weit abstehenden Ohren schmerzten leicht, aber er hatte den Fehlbetrag vergessen und seine Schulden beinahe auch. Körperliche Anstrengung half beim Verdrängen wahre Wunder.
    Armin freute sich auf seine warme Wohnung, den Fernseher und ein Feierabendbier. Um halb zwölf lief 28 Weeks later auf Pro Sieben, den wollte er sich anschauen. Wahrscheinlich würde er dabei einschlafen, aber das war nach so einem Tag auch in Ordnung. Und er musste ja nicht früh raus, konnte bis in die Mittagsstunden schlafen. Kein schlechtes Leben. Wo er jetzt praktisch schuldenfrei war, könnte er es eigentlich noch eine Weile so fortführen. Warum nicht? Andere lebten auch jahrelang auf Staatskosten.
    Kurz bevor er den Zebrastreifen in seinem schnellen Tempo überquerte, nahm er die herankommenden Scheinwerfer wahr.
    Der fährt zu schnell, dachte Armin, verließ sich aus Gewohnheit aber darauf, vorgelassen zu werden. Er trat hart ins Pedal, um vor dem Wagen über die Straße zu kommen. Auf der gegenüberliegenden Seite mündete gleich neben dem Zebrastreifen die Husarengasse. Mit optimalem Schwung würde er das Rad bis vor die Haustür ausrollen lassen können .
    Der Schlag kam unerwartet und heftig.
    Sein Rad wurde hinten herumgerissen, er selbst aus dem Sattel katapultiert. Er flog durch die Luft, ruderte mit den Armen und schlug hart auf. Sofort sandte seine linke Hand einen stechenden Schmerz aus, mit Stirn und Wange schrammte er über den Asphalt, schürfte sich die Haut großflächig ab und schlug sich heftig den Kopf an. Einen Helm trug er grundsätzlich nicht – weil das affig aussah, wie er fand.
    Dann lag er still.
    Unter sich die weißen Striche des Zebrastreifens, über sich den nächtlichen Himmel mit seinen glitzernden Sternen. Sein Herz pochte laut und schnell. In seinem Mund schmeckte er Blut. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er begriff, dass er gerade einen Unfall gehabt hatte und mit dem Leben davongekommen war. War er

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