Höllental: Psychothriller
selbst davon profitierte. Ricky war für die Finanzen zuständig, etwas, wofür sein Vater als geborener Verkäufer sich nie hatte begeistern können. Allerdings wollte er diesen Kernbereich des Unternehmens auch keinem Angestellten anvertrauen und hatte ihn bis zum Eintritt seines Sohnes selbst erledigt.
Er hatte die Zahlen einzig und allein seinem Sohn anvertrauen wollen – und damit den Bock zum Gärtner gemacht.
Drei Konten, die er nicht ausgleichen konnte. Heute nicht, morgen nicht und wahrscheinlich überhaupt nicht mehr. Er konnte Summen von anderen Konten transferieren, auf denen ihr Fehlen nicht so schnell auffiel, doch das war, als würde man ein Loch im Deich stopfen, indem man an anderer Stelle die Sandsäcke entfernte. Er würde auffliegen! Früher oder später würde er auffliegen, und dann war das schöne Leben vorbei.
Komm, nicht aufgeben! Bisher hast du es doch immer hinbekommen.
Er schüttelte den Kopf, fuhr sich durchs Haar und beugte sich nach vorn. Dann griff er zur Maus hinüber und öffnete die Kontoübersicht eines Wertpapierportfolios. Mit ein paar Mausklicks transferierte er siebentausend Euro von einem Konto auf ein anderes und stopfte damit ein leichter zu entdeckendes Loch.
Sein blaues Oberhemd klebte unangenehm feucht an seinem Rücken. Erneut wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Dann griff er zu der Flasche Mineralwasser, die im Fußraum unter seinem Schreibtisch stand, und trank gierig. Er fühlte sich hundeelend und war nahe dran zu heulen. Ricky konnte sich nicht erinnern, sich jemals zuvor so gefühlt zu haben. Alles entglitt ihm, und er wusste nicht, wie er das stoppen sollte. Durch Lauras Tod waren Dinge ins Rutschen gekommen, die sich nach und nach zu einer Lawine entwickelten und nun drohten, ihn fortzureißen. Das Geld war eine Sache, vielleicht würde er das wieder auf die Reihe bekommen. Es gab Leute, die Schulden bei ihm hatten, unter anderem Armin. Dieses Geld musste er jetzt eintreiben.
Das viel größere Problem stellte Bernd dar.
Ricky hatte immer geahnt, dass Bernd nicht sauber in der Spur lief, aber dass er so durchgeknallt war, hatte er nicht erkannt. Lief dieser Spinner doch tatsächlich hinter ihm her und machte heimlich Fotos.
Die Aufnahme von seinem spontanen Fick auf dem Spielplatz, die Ricky gestern Nacht an seiner Windschutzscheibe gefunden hatte, war kompromittierend und würde seine Beziehung zu Esther sofort beenden, wenn sie davon erfuhr. Ricky wusste nicht mal mehr, warum er mit Nadja zum Essen ausgegangen war, so toll fand er sie eigentlich gar nicht. Vielleicht war es einfach nur die Art und Weise gewesen, wie sie sich für ihn interessierte hatte. So etwas tat immer gut.
Gab es noch mehr solcher Bilder? Und was noch wichtiger war: Besaß Laura welche? Hatte Bernd ihr solche Fotos zugespielt, um sich bei ihr anzubiedern? Er war in Laura verliebt gewesen, das wusste Ricky. Hatte er darin seine Chance gesehen, endlich zum Zug zu kommen?
Und wie viel mehr wusste Bernd noch?
Theoretisch war es möglich, dass er alles beobachtet hatte, auch wenn er dann wahrscheinlich längst zur Polizei gegangen wäre. Aber wer konnte schon wissen, was in einem kranken Hirn vor sich ging. Die Krux daran war, dass Bernd es ihm nicht verraten würde. Der Wichser würde lieber sterben.
Ricky spürte Wut die Oberhand gewinnen. Das war nicht schlecht, damit fühlte er sich wenigstens nicht mehr wie ein Loser. Diese Wut konnte er nutzen, konnte sie in Energie umwandeln und das Problem endlich angehen.
Vielleicht gab es ja doch eine Chance, aus dieser beschissenen Geschichte ungeschoren herauszukommen.
Als Erstes würde er Armin aufsuchen. Der war ihm eine Menge schuldig und konnte es sich nicht leisten, ihm seine Hilfe zu verwehren.
Ein Deal! Ricky würde ihm einen Deal anbieten. Ein paar Gefälligkeiten gegen einen Teil seiner Schulden.
Seitdem Roman Jäger vor einer Stunde aufgebrochen war, hatte Mara viermal versucht, Bernd Lindeke zu erreichen. Erfolglos. Bernd war aus ihrer Clique der Labilste, und wie schlecht es ihm ging, das hatte er gestern Abend unter Beweis gestellt. Mara war nicht böse auf ihn. Er hatte sie nicht verletzten wollen. Aber sie machte sich große Sorgen. Eigentlich hätten sie ihn gestern nicht davonrennen lassen dürfen, aber was konnte man schon tun, wenn sich jemand nicht helfen lassen wollte.
Erst seitdem Roman fort war, war Mara dazu gekommen, über Bernds Worte nachzudenken. Klar, er war nicht ganz bei Sinnen gewesen, aber
Weitere Kostenlose Bücher