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Hoellentrip

Hoellentrip

Titel: Hoellentrip Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Steinen und ein Stück Metall steckte in meinem Bauch . David lag mit dem Kopf neben einem Felsen, zwei Meter von mir entfernt. Er blutete. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich konnte noch nicht einmal meinen Arm ausstrecken und seine Hand berühren. Ich musste zusehen wie er starb.“
    Ihr Körper fühlte sich kalt an, trotz der Hitze.
    „Seitdem habe ich nie wieder versucht, ein Menschenleben zu retten. In Sydney hab’ ich an einem Nachmittag eine ganze Menge Tabletten geschluckt. Aber meine Kommilitonin kam leider früher heim.“ Sie lachte kurz auf. „Ich bin unverwüstlich. Sogar ein Jahr Psychiatrie hab’ ich überlebt.“
    Sie richtete sich auf.
    „Ich habe mich immer an Davids Tod schuldig gefühlt.“
    „Hast du dich deshalb für die Arbeit mit Toten entschieden?“
    „Da kann ich wenigstens nicht versagen.“ Die Umrisse ihrer Brüste zeichneten sich gegen das diffuse Licht ab, das vom Fenster hereinfiel. Das lange, glatte Haar floss über ihre Schultern. Abrupt stand sie auf, bückte sich nach ihren Kleidern und wollte gehen.
    „Eliza, warte, ich fahre dich“, sagte er und stand auf.
    „Nein, bitte, ich m uss jetzt allein sein.“
    „Dann lass mich dir wenigstens ein Taxi rufen.“

    Als sie gegangen war goss er sich in der Küche einen Whisky ein und ging hinauf auf die Terrasse auf dem Dach. Wie Brillanten funkelten die Lichter der Hochhäuser in der City. Er lehnte sich ans Geländer und betrachtete den Fluss, das dunkle Band, an dessen Rändern helle Punkte auf und ab wogten, Lampen von Yachten. A uf einmal konnte er verstehen, warum Eliza sich oft in den Momenten größter Nähe entzog, plötzlich abweisend und kalt wurde. Er trank sein Glas aus.
    Ein Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken. Am anderen Ende der Dachterrasse, erkannte er eine Person, die auf einen Stuhl kletterte. In der nächsten Sekunde war er bei ihr.
    „Heather, was um Himmels willen treiben Sie da?“ rief er.
    Heather, die Nachbarin, wohlbeleibt, mit einem weiten T-Shirt und flatternden Shorts bekleidet, stand bereits mit beiden Beinen auf dem Stuhl und stützte sich mit den Armen aufs Geländer.
    „Hi, Shane!“, lallte sie und deutete zitternd in den nächsten Garten, sieben Stockwerke unter ihnen. „Sehen Sie diesen verdammten Baum da? Da spring’ ich jetzt drauf!“
    Shane schätzte, dass der Baum mindestens drei Autolängen entfernt war.
    „Heather, ich glaube, das ist keine so gute Idee.“
    Sie lachte. „Sie sind ein alter Angsthase . Ich finde, ich hatte schon eine Ewigkeit lang nicht mehr eine so gute Idee. Passen Sie auf, gleich spring’ ich!“
    Sie wackelte bedenklich auf dem Stuhl. Shane zog sie unsanft herunter.
    „Au, verdammt!“, fluchte sie und schüttelte ihn ab. „Sie sind ein elender Spielverderber, Shane. Es wär’ nur ein verdammter Katzensprung gewesen!“
    „Heather, Sie sind leider keine Katze.“
    „Ach, Sie alter, besserwisserischer Bulle “, murrte sie und streckte die Arme aus. Er zog sie hoch, brachte sie in ihre Wohnung zurück und kochte ihr einen Tee, mit dem sie sich in ihr Bett verkroch.
    Als er auf die Uhr sah war es nach zwei. Er fragte sich, ob Heather wirklich gesprungen wäre. Und ob sie morgen vielleicht dieselbe Idee haben würde. Und wenn nicht morgen, dann vielleicht übermorgen oder nächste Woche, wenn er nicht da wäre. U nd dann fragte er sich, ob man vielleicht erst ein Leben beenden müsse, um ein anderes anfangen zu können, und das wie wie vielte Leben er wohl lebte – zuletzt dachte er an Eliza, durchbohrt von dem Stück Metall, beinahe tot -

88

    Er tauchte auf wie das Gesicht unter dem Eissee. Wie damals in dem Alptraum, den sie früher als Kind träumte. Immer und immer wieder, so oft, dass sie nicht mehr wusste, ob der Traum die Wirklichkeit war - oder die Wirklichkeit der Alptra um. Sie, Sophie, wohnte damals in der Nähe von Morlaix , in einem großen Haus, das ihrem Großvater gehörte und in das sie und ihre Mutter nach der Trennung von Sophies Vater, gezogen waren. Sie habe ihn nie geliebt, hat ihre Mutter immer wieder gesagt und dass die Heirat ein Fehler gewesen sei. Ihr Großvater war ein erfolgreicher Anwalt mit einer autoritären Stimme und Sophie erinnerte sich an die dunklen Flure und Zimmer und an die Kälte im Winter. Sie ging mit zwei Freundinnen Schlittschuhlaufen. Es war bitterkalt. Eiszapfen hingen von den kahlen, dürren Zweigen der Bäume und die dunklen Stämme waren glasiert. Die Luft schmeckte nach Schnee und der Himmel war

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