Hoellentrip
geschehen könnte. Es kam auf das Funktionieren, die Professionalität und Kaltblütigkeit eines jeden einzelnen an. Auf einmal gabelte sich vor ihnen der Weg.
„Der breitere ist der zur Farm“, sagte Herb von hinten. „Wir müssten dann gleich da sein.“
Wenige Minuten später passierten sie ein offenes Gatter, hinter dem ein tradi tionelles Queensländer Farmhaus und zwei Nebengebäude auftauchten. Die letzten hundert Meter fuhren sie über gerodetes Land. Wenn jemand im Haus war, musste er sie spätestens jetzt bemerkt haben.
„Da steht kein Auto“ , sagte Tamara und ließ den Wagen vor den Hauseingang rollen.
„Vielleicht ist es ja in der Garage“, sagte Shane.
Als der Motor ausging, hörte er sein Herz klopfen. Sie waren Touristen, die entnervt am Ende eines langen und beschwerlichen Weges einsehen mussten, dass sie sich geirrt hatten.
Er nickte Tamara zu. „Dann also los . “
„ Viel Glück “, flüsterte Herb. Tamara öffnete die Autotür, stieg aus, mit der Karte in der Hand. Ganz die genervte Touristin.
„Verdammt!“ rief sie laut, sich umsehend, „ Dar ling, ich hab’ dir gleich gesagt, dass wir den falschen Weg genommen haben!“
Shane stieg ebenfalls aus, streckte und dehnte sich wie die Leute an den Raststätten.
„ D u hast Recht ! W ie immer!“
Tamara tat so, als habe sie das überhört.
„Hallo?“ Sie wedelte mit der Straßenkarte. „Hallo, ist da jemand?“
„Hoffentlich ist jemand da!“, rief Shane.
„Soll ich anklopfen?“, fragte sie ebenso laut zurück.
Wenn jemand zu Hause war, müsste er sie längst gehört haben. Tamara ging zur Haustür, in deren oberem Teil bunte Glasscheiben eingelassen waren. Sie zog an einer altmodischen Glocke und klopfte. Nichts geschah.
„Niemand da. Die Läden sind geschlossen“, sagte Tamara in normaler Lautstärke. Shane ging auf die Garage zu. Durch den Spalt der Tür erkannte er eine Werkbank, Farbeimer, Gärtnergeräte und Werkzeuge, aber kein Auto.
„Vielleicht ist der Hausmeister nur manchmal hier“, meinte Tamara. Noch immer den Touristen auf der Suche nach menschlicher Hilfe mimend, ging Shane zum hinteren Teil des Hauses und blieb unvermittelt stehen.
Ooboon, der blauzüngige Lizard-Ahn, kratzt mit seinem Schwanz tiefe Rillen in die Erde, in denen das Wasser des Regens abfließt und an dessen Ruheplatz sich das Wasser staut und zu einem See wird.
Im Schatten hoher Bäume lag ein düsteres Gewässer, über das lautlos schwarze Schwäne glitten...
Auf den wie Inseln im Ozean anmutenden fleischigen Blättern der Seerosen staksten langbeinige Vögel um rosafarbene Blütenkelche. Vögel flatterten im Geäst der knorrigen Bäume.
„Ich habe ein komisches Gefühl“, flüsterte Tamara, die auf einmal neben ihm stand. Da fiel Shanes Blick auf etwas Dunkles vor ihm im Schilf. Als er näher kam, sah er, dass es eine dichte Wolke Fliegen war. Er beugte sich hinunter. Die Fliegen stoben auf und wollten sich auf ihm niederlassen. Angewidert verscheuchte er sie mit fuchtelnden Armbewegungen.
„Was ist ...“ Tamara brach ab und drehte sich angeekelt weg. Vor ihnen lag ein gewundener Schlangenkörper, grauschwarz und aufgerissen.
„Was machen wir jetzt?“, wollte Herb wissen als sie zum Wagen zurückkehrten.
„Wir gehen rein“, erwiderte Shane.
„Ohne Durchsuchungsbefehl?“, fragte Justin.
„Die Verandatür steht doch auf, oder?“, erwiderte Herb grinsend. Justin und Fiona blieben draußen, bewachten den Eingang, und standen in Funkkontakt mit Shane, Tamara und Herb, die jetzt ins Haus gingen. Sie nahmen die Verandatür auf der rechten, schmalen Seite des Hauses. Herb war im Türöffnen geübt, in wenigen Sekunden ließ sich die Tür mühelos aufschieben.
„Wenn wir wieder gehen, merkt keiner, dass wir da rein gekommen sind“, erklärte er.
Mit gezogenen Waffen traten sie aus dem gleißenden Mittagslicht ins Halbdunkel eines in seinen Ausmaßen imposanten Raums, dessen dunkelbraune Dielen trotz der Staubschicht, die sich hier im Busch schon innerhalb eines Tages bildete, glänzte wie ein Spiegel. Eine ausladende Sitzgarnitur, wuchtige Sessel und zwei Sofas aus dunkelbraunem, ausgetrockneten Leder erinnerten Shane an Wachhunde, die in der Hitze eingeschlafen waren. Ihre Schritte klangen hohl. Leise durchquerten sie das Zimmer, an den Wänden düstere Ölgemälde lauernd: grimmige Gesichter auf steifen Kragen und hölzern aussehende Pferde. Herb ging voraus in den finsteren Flur, auf dessen Bodendielen
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