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Hoellentrip

Hoellentrip

Titel: Hoellentrip Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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wieder gut. Mit dir wird wieder alles gut. Die Seenotbake – du hast sie aktiviert, erinnerst du dich? Man wird uns retten.«
    Er versucht, sich zu erinnern. Er atmet schwerer. Ich bitte ihn, sich auszuruhen.
    »Ich kann … ihn immer noch hören«, sagt er.
    »Wen?«
    »Meinen … Bruder.«
    Ich brauche eine Sekunde, bevor es klick macht. Er erzählte mir, Stuart auf dem Boot gehört und sogar gesehen zu haben, auch wenn er sagte, er wisse, es sei nicht wirklich passiert.
    Ich drücke Jakes Hand. »Ich bin sicher, jetzt lacht er nicht mehr«, beruhige ich ihn.

    Jakes sonst gebräuntes Gesicht ist leichenblass. Das Atmen fällt ihm zunehmend schwerer, was mir Angst bereitet.
    »Du musst deine Kräfte schonen«, sage ich. »Bitte.« Es gibt noch etwas, das er mir trotz seiner Schmerzen sagen will: »Es hat mir nie leidgetan.«
    Ich will nicht, dass er weiterredet, aber ich weiß auch nicht, was er meint. Vielleicht erkennt er es in meinen Augen, weil er doch tatsächlich lächelt. Er zieht mich zu sich heran.
    »Es hat mir nie leidgetan, dass ich dich geliebt habe«, flüstert er in mein Ohr.
    Ich wende mich ab, als mir Tränen über die Wangen laufen. Damals, in unserem verbotenen Sommer, ist es kompliziert gewesen. Stuart war ständig unterwegs, und ich hatte beinahe das Gefühl, er wüsste über Jake und mich Bescheid, was ihm aber egal zu sein schien. Vielleicht ging Stuart seinen Weg und wollte, dass ich den meinen ging.
    Ich blicke aufs Meer hinaus, wo sich der Mond so malerisch spiegelt, dann hinauf zum Himmel, wo sich die Sterne tummeln.
    Schließlich blicke ich zu meinen schlafenden Kindern. Es ist seltsam, aber ich denke, ich habe sie nie so sehr geliebt wie in diesem Augenblick.
    Wieder drücke ich Jakes Hand, weil es etwas gibt, das ich ihm sagen muss.
    »Jake.« Ich drehe mich zu ihm. »Jake?«
    Mein Mund bleibt offen stehen.
    Alles im Universum bleibt stehen.
    Jake atmet nicht mehr.
    Er ist tot.

Vierter Teil
Und jetzt alle gemeinsam

60
    »Mom, werden wir auch sterben? «
    Ernies Frage trifft mich mitten ins Herz und macht mich sprachlos. Ich dachte bisher, das Schlimmste in meinem Leben sei gewesen, meinen Kindern zu sagen, ihr Vater sei gestorben. Falsch. Mitzuteilen, dass Jake die erste Nacht nicht überlebt hat, war noch schlimmer.
    Als Stuart starb, fühlten wir uns allein.
    Jetzt, da Jake tot ist, sind wir es tatsächlich.
    Schon seit zwei ganzen Tagen.
    Wir sind krebsrot von der Sonne, und unser Essen und Wasser gehen ebenso zur Neige wie unser Mut. Die Trauer über den Verlust von Jake hat bei den Kindern die Verzweiflung durch etwas viel Schlimmeres ersetzt – Angst.
    Angst, dass jeder von uns der Nächste sein könnte.
    Wir haben uns so nah wie möglich an der Stelle gehalten, an der die Familie Dunne unterging, doch bisher kam kein Rettungsboot und kein Hubschrauber. Die einzigen Flugzeuge, die wir hören, sind so leise wie Fliegen, bloße Flecken, die wir wahrscheinlich nur wegen der Kondensstreifen sehen. Uns sehen sie mit Sicherheit nicht.
    Bald werden wir irgendwo in tropischen Gewässern verloren sein. Wir wissen nicht, wo wir sind. Scheinbar weiß das niemand.
    Warum erzähle ich dann also den Kindern ständig, wir dürfen uns nicht vom Fleck rühren? Warum kämpfen wir gegen die Strömung an?
    Zwei Tage lang wiederhole ich stur, dass wir der Küstenwache
mehr Zeit lassen müssen. Aber mittlerweile weiß ich, dass die Kinder den wahren Grund vermuten.
    Ich bin diejenige, die mehr Zeit braucht. Jake ruht auf dem Grund des Meeres, und ich kann nicht loslassen. Ich kann nicht weiterziehen. Körperlich. Wäre ich der einzige Mensch auf diesem mickrigen Floß, ich würde hier in Jakes Nähe ausharren, egal ob man mich retten würde oder nicht.
    Aber so ist es nicht, das wird mir jetzt bewusst. Meine Kinder sind bei mir, ihrer Mutter, auf dem Floß. Mögen wir auch allein hier auf dem Meer sein, so sind wir doch gemeinsam allein.
    Und wir müssen gerettet werden.
    Ich blicke mir durch meine zusammengekniffenen Augen ihre sonnenverbrannten Körper an, ihre Schnitte und blauen Flecken, das Salz auf dem Schorf. Zwischen ihren aufgeplatzten, weißen Lippen und zerzausten Haaren blicke ich tief in ihre Augen.
    »Nein, Ernie«, antworte ich. »Wir werden nicht auch noch sterben.«
    Es ist Zeit, loszulassen und aufzuhören, uns gegen den Strom zu wehren.
    Wir müssen sehen, wohin er uns treibt.

61
    Operation Zufallsbegegnung hat begonnen. So nannte Ellen es, als sie das kleine, aber gut

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