Hoellischer Verrat
Ich unterdrückte den Schwindel und zwang meine Reißzähne an ihren Platz zurück.
»Bleibst du hier, wenn unsere Delegation versetzt wird?«
Genau darüber hatte ich mir auch schon Gedanken gemacht.
»Levians Mission ist die Rettung der Menschheit. Er wird dir nicht folgen können.«
»Ich weiß.«
»Also bleibst du hier?«
»Ich kann es dir noch nicht sagen, Jaro. Es hängt von der Lösung ab, die der Rat mit den Engeln finden wird.« Ich drehte mich zu ihm und legte meinen Arm um seine Hüften. »Es ist alles so kompliziert. Die Zeiten sind so turbulent. Alles geht so schnell. Ich hätte so gern einen Plan, aber im Moment ist alles nur ein Durcheinander. Der Gedanke, dich gehen zu lassen, gefällt mir nicht.«
»Mir auch nicht. Du bist meine große Schwester«, sagte er leise. »Meine Familie.« Er sah zu mir und seine Augen schimmerten plötzlich feucht. »Soll ich dich auch noch verlieren?«
»Nein.« Ich schlang meinen Arm noch enger um ihn und er zog mich in eine Umarmung, die mir fast die Luft abschnürte.
»Ich liebe Eli«, flüsterte er nah an meinem Ohr. »Aber dich liebe ich auch, nur auf eine ganz andere Art.«
Ich lachte leise. Dieser Satz war so typisch Jaro! »Wir finden eine Lösung, ich verspreche es dir. Frag Eli, ob sie auch bleiben würde. Sie scheint die drei Kleinen zu mögen, vielleicht können die sie ja überreden, zu bleiben.«
»Was wird aus ihnen?«
»Sie bleiben bei mir, was sonst? Als älteste Verwandte bin ich verantwortlich. Fragst du Eli, sobald sie aufwacht?«
Jaro löste sich von mir. »Mach ich.« Dann gähnte er herzhaft.
»Schlaf ein wenig. Du siehst schrecklich müde aus. Ich warte noch auf Levian.«
»Einverstanden.« Jaro umarmte mich noch mal, dann schlich er aus der Bibliothek. Ich ließ mich zurück auf die Couch sinken. So viele Dinge schwirrten mir im Kopf herum, doch ich fand nicht die Ruhe, einen Gedanken zu Ende zu denken. Als es zwei Stunden später an der Wohnungstür klopfte, kämpfte ich gerade mit den Tränen, weil ich an meine Eltern gedacht hatte.
Levian zog mich in seine Arme, als er meine feuchten Augen sah. »Ich habe mir Sorgen gemacht. Unsere Späher haben von Kämpfen berichtet, in denen Jäger getötet worden sind. Geht es dir gut?«
»Ja … nein …«, flüsterte ich in sein Shirt. »Ich bin durcheinander.«
»Komm mit.« Er führte mich ins Wohnzimmer und wollte mich auf eine Couch setzen.
Draußen dämmerte es gerade und die Sonne kroch als orangefarbener Ball den Himmel hinauf.
»Lass uns auf den Balkon gehen.« Ich zog ihn mit mir.
Er stellte sich hinter mich und schlang seine Arme um mich. Dann hauchte er mir einen Kuss auf den Hals.
»Sieh nur …«, flüsterte ich und deutete in die Dämmerung. Der Graben, der mitten durch die Stadt lief, warf helle Funken in das Grau eines beginnenden Tages.
»Von hier aus sieht es toll aus. Aber wenn man daran vorbeifährt, ist es sehr Respekt einflößend.«
»Levian?«
»Ja?«
»Ich habe vor wenigen Stunden einen Dämon getötet.«
Abrupt drehte er mich zu sich um.
»Sag das noch mal.«
»Das babylonische Feuer hat mir den Verstand vernebelt. Fast hätte ich Yaris und Mik angegriffen.«
»Wie bist du an so ein Schwert gekommen?«
Ich rieb mir über die Stirn und erzählte ihm, was passiert war.
»Das war leichtsinnig. Es ist Magie der Engel und nicht für Dämonen gedacht. Ein Wunder, dass die magischen Worte bei euch überhaupt Wirkung zeigen und das Feuer die Farbe wechselt.«
»Wo kommt es auf einmal her? Wir kämpfen nun schon so lange und plötzlich seid ihr im Besitz einer solchen Waffe?«
»Es war Zufall. Wir waren ja immer auf der Suche nach geeigneten Verstecken vor euch. In der Krypta einer Kirche brach der Boden auf und wir fanden alte Steintafeln. Es war eine längst vergessene Schrift, aber wir konnten sie entziffern.«
»Und warum heißt es babylonisches Feuer? Blaues Feuer ist doch viel einfacher.«
Levian lächelte und strich mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. »Es wurde auf den Steintafeln so genannt. Die Stadt Babylon existierte vor mehreren Tausend Jahren. Sie galt als sehr wohlhabend und die Menschen dort lebten ein Leben, das nur auf ihr Vergnügen ausgerichtet war. Im Laufe der Jahre veränderten die Menschen sich. Das Böse, das in jedem steckt, gewann die Oberhand. Die Engel planten damals, die Stadt zu vernichten, da die Menschen mehr und mehr zu Dämonen wurden, die nichts Menschliches mehr an sich hatten. Gewalt beherrschte die Stadt,
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