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Hoerig

Hoerig

Titel: Hoerig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelly Arcan
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explodieren, auf einem streckt sie die Zungenspitze heraus, als wollte sie sich die Lippen lecken, die Arme über den Kopf erhoben. Von da an hatte sie auch für mich die Spielklasse gewechselt; sie war zu einer Gefahr geworden.
    Am Sonntagmorgen hatten wir uns von der Freitag-nacht völlig erholt, die Julisonne war Zeuge, sie sah, wie wir auf Rollerblades über die kopfsteingepflasterten Straßen des alten Montreal sausten, sie machte dein Braun dunkler und färbte mein Blond rot. Wenn ich mich ungeschickt angestellt hätte, hättest du mich bei der Hand genommen. Der Sonntagabend war der einzige, den wir bei mir verbrachten, in meiner Dreizimmerwohnung, du fandest sie stilvoll mit ihren hohen Decken und unverputzten Wänden, außerdem fördere sie die Produktivität: Da mein Computersystem keinen High-Speed-Anschluß hatte, verlorst du die Lust, gingst früher schlafen und warst fitter für die Arbeit, die dich am Montagmorgen erwartete. Von unserem Sonntagnachmittagsausflug erschöpft, hatten wir nicht mehr die Kraft, abends noch auf ein Glas Wein zu gehen, wir lagen auf dem Sofa und sahen fern, anschließend wurde gefickt. Danach fühlten wir uns ganz leer und zufrieden wie sonst nie. Oft bist du auf mir eingeschlafen, und ich traute mich nicht, dich zu wecken, sogar im Schlaf warst du dominant, du bliebst oben.
    Beim Ficken hast du immer die Initiative ergriffen, vermutlich bestimmten deine Erektionen das Timing.
    Eines Nachmittags, wir guckten gerade die Simpsons im Fernsehen, hob ich, ohne daß du mich darum gebeten hattest, dein Hemd und fummelte an deiner Hose herum, konnte aber mit meinen zitternden Händen die Knöpfe nicht finden und steckte dir statt dessen meinen Finger in den Nabel, um dich zu kitzeln. Damit gab ich dir anscheinend ein Signal, das dir den Weg zu mir wies, überreichte dir gleichsam die Fackel, und das ist zum Klassiker zwischen uns geworden, mein Zeichen zum Aufbruch. In deinem Nabel war immer ein bißchen Talg, ich hatte das nie, woraus wir den Schluß gezogen haben, diese Absonderung sei ein Testosteronprodukt und daher Vorbote einer Glatze, je mehr Talg im Nabel, desto weniger Haare auf dem Kopf.
    Bei dir zu Hause haben wir es überall getrieben, auch im Wohnzimmer und den anderen Gemeinschaftsräumen.
    Wenn Martine uns auf dem Sofa überraschte, zuckte sie zurück, aus Ehrfurcht vor unserer Liebe. Ich kann mich daran erinnern, daß sie alles mögliche gesammelt hat; in ihrem Zimmer stapelten sich hunderte Barbiepuppen in ihren rosa Schachteln, Haarfarbe und Kleidung waren unterschiedlich, aber der Körper war jedesmal der gleiche, nach demselben Modell produziert, mädchenhaft mager und mit unendlich langen Beinen, die Idee des Klonens stammt sicher aus der Puppenindustrie, davon bin ich fest überzeugt. Einmal sagte Martine zu mir, ich sehe auch aus wie eine Barbiepuppe, eine Woche später wollte sie meinen Körper mit Gipsbandagen umwickeln, um nach diesem Modell ein Kleid aus Glas zu machen.
    Martine war Künstlerin, sie hatte für so was einen Blick.
    Ich hätte gern gewußt, ob sie dachte, daß ich die Lust beim Ficken bloß simuliere, und ob sie, wenn sie sich selbst befriedigte und ich nicht da war, laut stöhnte, um Eindruck auf dich zu machen. Du hast mir erzählt, daß sie mich Mieze nannte, wenn ich nicht da war, aber das sei durchaus liebevoll gemeint, »Kommt deine Mieze heute?« habe sie zum Beispiel gefragt, oder »Ist deine Mieze noch böse?«, nie sei Verachtung zu hören gewesen, hast du mir versichert, Martine sei nett. Ich habe schon immer das Gegenteil geargwöhnt, ich war seit jeher der Überzeugung, daß Nettigkeit bei Frauen eine männliche Vorstellung ist, Frauen greifen einander nie offen an, tragen Rivalität aber sehr wohl auf stimmlicher Ebene aus, die Stärke der Lustlaute ist quasi das weibliche Gegenstück zur Größe der Schwänze, und wenn man der Frau, die beim Orgasmus laut schreit, nicht den Mund stopfen kann, bleibt nur der Rückzug. Um mein Revier zu markieren, schrie ich lauter als nötig und machte dich damit mißtrauisch. Einmal hat Martine mich ertappt, als ich ihre Sachen durchwühlte, auf der Suche nach was weiß ich, wahrscheinlich Beweisen, daß zwischen euch etwas lief. Seit damals hielt sie mich für verrückt und hütete sich, mit mir in einem Raum allein zu bleiben.

    In manchen Freitagnächten hatte ich das Gefühl, daß du dir, um runterzukommen, gern vor deinen Fotzenfotos einen abgewichst hättest, aber aus Liebe zu mir darauf

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